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Öcalan ballt hier keine „Faust“ –betr.: „Degradierungsrituale“, Gegenüberstellung der Bilder des PKK-Chefs Öcalan von 1993 und 1999, taz vom 3.3.1999

So richtig und aufschlußreich der von Herrn Professor Werner Schiffauer gemachte Hinweis auf die Aussagen von Bildern ist, so falsch ist die mitgelieferte Interpretation. Dezidiert und genau beschreibt Schiffauer die Geste der Hand auf dem Bild des PKK-Chefs von 1993 als Drohgebärde eines Mannes, der in „männlicher Stärke“ die Faust ballt. Aber das ist schlichtweg falsch. Denn auch ohne Lupe ist unschwer erkennbar, daß auf dem abgebildeten Foto von „Faust“ keine Rede sein kann. Die Spitzen von Daumen und Zeigefinger sind aneinandergelegt und die restlichen drei Finger nur leicht gekrümmt, der Arm ist zwar angewinkelt, aber die Hand bleibt unter Schulterhöhe. Es ist klar sichtbar, daß Öcalan hier keine Faust ballt; es ist vielmehr eine Geste, die einen inhaltlich nicht näher bestimmten Punkt verstärkt oder unterstreicht (möglicherweise ja durchaus den von Professor Schiffauer monierten Anspruch auf Selbständigkeit!). [...]

Da Schiffauer in seinem Artikel nochmals auf diese angebliche Faust zurückkommt und sie unterschwellig im Verlauf seiner Überlegungen als Argument gegen die PKK und als Beweis ihrer Unrechtmäßigkeit und Gewalttätigkeit verwendet, wird klar, daß es sich hier nicht um einen nebensächlichen Irrtum handelt, sondern um eine zielgerichtete Fehleinschätzung. Hier wird mit der aus dem Dritten Reich nur allzu bekannten Strategie der Doppelbotschaft Richtiges (erniedrigte Ikone und Degradierungsrituale) mit Falschem (Faust) zu einer Einheit verbunden, dem Falschen untergeordnet und auf ein bestimmtes Ziel – hier Feindbild PKK – gerichtet. Das ist nicht nur schade, sondern erzeugt Wut. Unter dem Deckmäntelchen der wissenschaftlichen Analyse werden Emotionen geschürt, und das ist in höchstem Grade unredlich und unwissenschaftlich (s. Max Weber).

Nachrichtlich: Ich bin keine PKK-Anhängerin. Barbara Hanelt-Thomas, Frankfurt/Main

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