piwik no script img

KommentarDas Bonner Pendeln

■ Sie kassieren schamlos ab und jammern noch immer

Es war schon immer ein Privileg, ein deutscher Beamter zu sein. Der Job ist krisensicher, Streikrecht gibt es nicht, man gelobt, dem Grundgesetz zu dienen, und ist staatstreu bis ins Gesäß. Seit acht Jahren allerdings gilt das nicht mehr – besonders für die Beamten des Bundes, die ab Herbst Woche für Woche zwischen Berlin und der alten Heimat Bonn pendeln werden. Der Beamtenbund pöbelt gegen den Hauptstadtbeschluß, die Personalräte führen sich wie Frontmänner im Arbeitskampf auf, und den Staatsdienern ist nichts mehr recht.

Daß der Bund den verbeamteten Pendlern das Leben in Berlin mit verschiedenen „Buschzulagen“ versüßt, hat die Lage nicht entspannt.

Im Gegenteil: Zu den Makler- und Speditionskosten kommen seit kurzen noch Zuschüsse für doppelte Mieten, hohes Kindergeld, Pauschalen für Einrichtungen und Darlehen für Häuslebauer, nach denen sich private Umzieher die Finger lecken würden. Denn die kriegen zumeist von ihren Firmen nur die Adresse auf der Visitenkarte geändert. Und damit hat es sich.

Das Buschgeld erweist sich jetzt als Falle, aus der der Bund nicht mehr herauskommt. Die Zulagen sind so attraktiv, daß nicht weniger, sondern immer mehr Beamte zwischen Berlin und Bonn pendeln wollen, nämlich 4.000; Tendenz steigend.

Warum auch nicht? Denn jetzt schon guckt sich der Umzugsbeauftragte nach mehr „Fluggerät“ um, das freitags die Massen an den Rhein fliegt. ICE-Sprinterzüge sollen gechartert werden, Dienstwagen-Konvois sind geplant. Berlin wird freitags und montags dicht sein – auf der Schiene, auf der Straße und in der Luft. Das alles ist den Pendlern schietegal und geht selbstverständlich auf Kosten der Steuerzahler.

Ein Depp, der da nicht mit Sack und Pack an die Spree zöge. Und was ist schon eine Woche ohne schreiende Kinder, die Schwiegermutter et cetera?

Natürlich finden die Beamten das trotzdem alles ganz schlimm: die Trennung vom Partner, von der Familie, den Freunden. Und jede Wette, sie werden neue Mißlichkeiten finden, die wieder kosten. Rolf Lautenschläger

Seite 21

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen