: Obrigkeits-Demokratie
■ Werden die Bezirksversammlungen zur machtlosen Quasselbude reformiert?
Alle dürfen mitreden, entscheiden werden wir. Unter diesem altbewährten Motto will der Hamburger Senat die seit 20 Jahren angekündigte Bezirksreform endlich in Angriff nehmen. Um sich mit einer aufmüpfigen politischen Basis nicht herumschlagen zu müssen, hat er einen Entwurf ausgearbeitet, der die Bezirksversammlungen in „macht- und bedeutungslose Quasselbuden“ verwandele – so begründete Martin Schmidt (GAL) gestern in der aktuellen Stunde der Bürgerschaft die Ablehnung dieser Pläne durch die Grünen.
Die Bezirke würden – anders als im Stadtstaat Berlin – noch mehr an der kurzen Senatsleine geführt, wenn Bezirksamtsleiter nicht mehr frei gewählt werden dürfen, sondern vom Senat eingesetzt werden. Außerdem sollen nach den Vorstellungen des Senats Bezirke nicht mehr selber bestimmen dürfen, worüber sie reden und beschließen wollen.
„Der Senat soll gestärkt und nicht geschwächt werden zugunsten der Bezirke“, stellte hingegen Walter Zuckerer (SPD) die Laufrichtung seiner Partei klar. „Es kann kein Gleichgewicht von Senat und Bezirken geben“, wenn Verwaltung effektiv arbeiten soll, glaubt Zuckerer. Das war sogar der CDU zu obrigkeits-demokratisch: Bei einem „kastrierten Parlament“ könne man die Wahl gleich lassen.
Scharfen Wind wird es auch von der SPD-Basis geben. Gerade haben sich Sozialdemokraten und GAL in Hamburg-Nord auf ein Papier geeinigt, das Mitspracherecht in allen kommunalen Belangen verlangt, ebenso eine Trennung von Bezirks- und Bürgerschaftswahlen.
Die Forderung nach mehr Demokratie und Bürgernähe bringt den zuständigen Senator Thomas Mirow (SPD) überhaupt nicht aus dem Konzept: „Daß die Opposition gegen den Entwurf ist, sollte uns nicht allzusehr verwundern.“ Die Kritik der SPD-Basis erwähnt er vorsichtshalber gar nicht erst.
Silke Mertins
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