Renaissance für Vögel

■ Auf der Möbelmesse „Raumobjekte“ präsentieren norddeutsche DesignerInnen ihre Kunstwerke : Vom stählernen Futterhaus bis zur Gurken-Klinke Von Oliver Fischer

Mal hängen sie an einem Ast, mal stehen sie auf hölzernen Stelzen, und immer wirken sie ein bißchen rustikal und altbacken: Vogelhäuser sind was für Naturromantiker mit Mutterinstinkten oder schrullige Tierfreunde.

Und sie inspirieren Dorothea von Dalwigk. Es müßte neben den morschen Holzmodellen auch noch ein „etwas anderes Vogelhaus“ geben, befand die 54jährige Designerin und machte sich ans Werk. Zuerst wechselte sie den Werkstoff: Stahlblau sollten fortan die Vogelhäuser unter Zweigen glitzern. Und dann besann sie sich auf ihr Architekturstudium und experimentierte mit unterschiedlichen Haustypen. Schließlich entschied sie sich für vier Modelle aus verschiedenen Epochen: Ein mittelalterliches Castello mit vier Türmen, Fähnchen obendrauf und unten goldenen Gardinen-Bommeln, ein Renaissance-Palazzo mit säulengeschmückter Frontseite, eine klassizistische Villa mit strengen Giebeln und als Tribut an die Moderne schließlich ein Loft mit schräg aufgesetztem Dach. Die Modelle werden auf Eisengestelle aufgesetzt – und fertig ist das avantgardistische Designer-Vogelhaus.

Einen Haken hat die Sache allerdings: Der glitzernde Stahl schreckt die Vögel ab! Wer mit dem schmucken Häuschen nicht nur Wintergarten oder Wohnzimmer zieren will, sondern wirklich auf gefiederten Besuch aus ist, muß die Designerstücke erst anrosten lassen! „Aber das tut der Attraktivität keinen Abbruch“, betont von Dalwigk, „es sieht sogar recht reizvoll aus.“

Zu bewundern sind die kostbaren Futterplätze nicht nur in ausgewählten Privat-Gärten, sondern demnächst auch im Hamburger Curio-Haus. Vom 6. bis 8. Oktober findet dort die Möbeldesign-Verkaufsausstellung „RAUMOBJEKTE“ statt, 70 DesignerInnen, vornehmlich aus Norddeutschland, präsentieren auf 800 Quadratmetern ausgefallene Möbelstücke, raffiniert konstruierte Lampen und extravagante Gebrauchsobjekte.

Wer auf dieser Leistungsschau der Exzentriker besonders auffallen möchte, muß einiges zu bieten haben. Wie Kai Kröger: Klinkenputzer können bei ihm zur Hochform auflaufen – gut 50 Türgriffe hängen in seinem kleinen Laden in Eppendorf, und schon am Eingang wird man von einem übergroßen, geschwungenen Stück aus Messing begrüßt. Die Idee, sich auf Türklinken zu spezialisieren, kam dem 29jährigen gelernten Kältebautechniker, als er welche für seine eigene Wohnung suchte. „Alle sahen gleich aus“, erinnert sich Kröger, „und es gab keine, die mir wirklich gefiel.“

Vor zwei Jahren eröffnete er seinen eigenen Laden und läßt seither seiner Phantasie freien Lauf: Kein Wunsch ist so ausgefallen, daß er ihn nicht erfüllen könnte, kein Objekt so abseitig, daß es nicht zur Klinke taugt: Plastik-Gurken und Paprika, Cola-Dosen und Tierfiguren. Für einen Musikfreund entwarf er eine Klinke mit Notenschlüssel, für Kinder hält er überdimensionierte Holzstifte bereit und fürs Single-Schlafzimmer taugt vielleicht ein Griff mit einem kondomgefüllten Plexiglasrohr. Vielfältig wie die Objekte sind auch die Materialien: Aluminium, Chrom, Nickel oder auch Holz und Kunststoff. Einzige Bedingung: Die Klinken müssen sich angenehm anfühlen und gut in der Hand liegen.

Das gilt auch für die tönernen Kunstwerke von Cornelia Woitun. Geschirr für Kinder ist die Spezialität der 35jährigen Keramik-Designerin, Lieblingsmotiv: Woituns Mitbewohner Papagei Knox. In allen nur möglichen Variationen findet sich das Bild des Hausvogels auf Schalen, Tassen, Tellern – beim Angeln, Baden und Federballspielen, immer mit weit aufgerissenem Schnabel und buntem Gefieder.

Bei ihren – übrigens spülmaschinenfesten – Tonarbeiten benutzt Cornelia Woitun die komplizierte Technik der Inglasur-Malerei: Die Farbe wird vor dem Brennen auf die noch feuchte Keramik aufgetragen. Um die empfindliche Oberfläche nicht zu zerstören, benutzt sie einen Spezialpinsel mit extra langem Schaft. Hat sie einmal angesetzt, gibt's kein Zurück mehr – auf der Glasur würde jedes Neuansetzen Spuren zurücklassen.

Wie auf einer mystisch schimmernden Tempelwand leuchten Kreis- und Kreuz-Muster auf dunkelblauem Stoff, silbrig glänzen Vierecke, und darüber steckt zwischen zwei Glaskugeln ein Dreieck: Fast gar nichts mehr erinnert bei Sigune Schuhmachers Paravents an den traditionellen Raum-teiler. Seit einem halben Jahr widmet sich die 51jährige Künstlerin mit akribischer Phantasie und einem liebevollen Blick fürs Detail der Gestaltung ihrer außergewöhnlichen Stellwände.

Dabei ist der Ursprung der sakralen Aura meist ganz profan: Auf Flohmärkten sucht die ehemalige Art-Direktorin die Accessoires für ihre Schmuckwände zusammen. Die viereckigen Kästchen etwa stammen aus einem alten Desinfektionsapparat, das silberne Dreieck diente einst als Serviettenhalter. Und auch Naturmaterialien nutzt Sigune Schuhmacher bei der Arbeit an den spanischen Wänden: Indisches Pandouk-Holz etwa, das von dunkelbraun bis hellrot ein faszinierendes Farbspektrum bietet.

„Entfremdung von Nutzgegenständen“ nennt die Designerin ihr Konzept, das auch Anleihen aus ihrer Arbeit als Fotografin nicht ausschließt: Die mittlere Wand eines Paravents läßt sich mit einem Foto im Großformat gestalten, die Stoffbahnen der anderen Teile sind farblich auf das Motiv der hellen, abgeschlagenen Baumstämme abgestimmt. Warum sie sich ausgerechnet auf Raumteiler spezialisiert hat, kann Schuhmacher, die vorher Teppiche bestickte, nicht so recht beantworten. „Der Paravent war einfach an der Reihe“, erinnert sie sich.