: Meine Mutter, die Schaufensterpuppe
■ Manisch mit Methode: der Kammer-Schocker Barracuda – Vorsicht Nachbar! im 3001
Eigentlich hat Luc (Guillaume Canet) allen Grund zum Lachen. Er ist jung, hat eine tolle Freundin, die ihn demnächst zum Papa machen wird, und er bezieht gerade eine herrliche Altbauwohnung. Draußen scheint sogar die Sonne. Da geht die Tür zur Nachbarwohnung auf, und Dunkelheit legt sich über das Leben des jungen Mannes.
In Philippe Haims Kammer-Schocker Barracuda – Vorsicht Nachbar! kommt der Mensch von der anderen Seite der Wand wie die Geißel des Mehretagenhauses daher, und das Prinzip mit Namen Wahnsinn gebiert sich einmal mehr als höchster Wert des Genres Psycho-Thriller. Denn der alternde Clement (hager, tragisch und souverän: Jean Rochefort) ist nicht nur ein gepflegter Kauz, der in einer zur Varietébühne ausstaffierten Wohnung tanzt und lebt, nein, er zwingt den lustigen Luc auch, Teil seiner grausamen Psychose zu werden.
Und mit der verhält es sich folgendermaßen: Die Ehe zwischen Clement und seiner Frau Violette ist wenig glücklich, weil kinderlos verlaufen. Nach dem Tod Violettes hat sich Clement eine Schaufensterpuppe nach ihrem Ebenbild gezimmert und pflegt eine einsame wie perverse Form der Zweierbeziehung. Sein Plan: Luc soll nun der Sohn werden, den die beiden niemals hatten, um posthum eine „richtige“ Familie in die Welt zu setzen. Und das mit allen Mitteln, sprich: Clement kidnappt den Jüngling, bekocht und quält ihn gleichermaßen und baut ihm sogar ein rot-leuchtendes Kinderzimmer. Natürlich eines mit Schloß und Riegel, denn Luc versucht krampfhaft, diesem Ort der Pein zu entfliehen.
Haims Dramaturgie zu Barracuda ist spannend, simpel und zielgerichtet. Hier das blühende Leben, dort der galante Kampfterrorist. Eine Vermittlung beider Welten ist ausgeschlossen, am Ende kann es nur einen geben. Und egal, wer das letztlich ist – was bleibt, ist die Manie.
Oliver Rohlf
Do, 18. bis Mi, 24. März, 20.30 Uhr, 3001. Do, 18. bis Mi, 24. März, 22.45 Uhr, Zeise
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