Stricken am Legendenschal

■ Allein seinetwegen kann Wien sich eine Weltstadt nennen: DJ DSL, der „zerbrechliche Titan“ aus der schönen österreichischen Hauptstadt, wird heute abend in der Galerie Meinblau auflegen

Es tut sich wieder was an den Plattenspielern. Quer durch die Neunziger war das Plattendrehen vor allem von Techno geprägt. Ein DJ hatte die Tanzfläche zu kochen, und als guter Mix galt der, bei dem man es kaum merkte, wie man von Track zu Track gezogen wurde. Den guten DJ nahm man am besten gar nicht wahr.

Mit dem Aufstieg von HipHop hat sich das verändert. Die DJs der neuesten Schule legen künstlerischer auf und haben kein so funktionales Verhältnis mehr zu ihren Platten. Hier werden keine Tracks mehr verflochten, sondern Breaks 'n' pieces durcheinandergeschmissen. Doch DJ-Crews wie die X-Ecutioners können zwar scratchen wie die Weltmeister und Feuerwerke abbrennen, daß den Jungs, die ihnen dabei auf die Finger gucken, der Mund offen stehenbleibt: Aber eine Party rocken können sie nicht. DJ DSL kann das. Wenn er sich einmal hinter die Plattenspieler geklemmt hat, kann es dauern, bis er wieder geht. Manchmal bis zu sechs Stunden.

DJ DSL heißt DJ Danube Superleiwand, was, dem hiesigen Sprachgebrauch angepaßt, etwa so viel bedeutet wie DJ Donau Oberknorke. Mit bürgerlichem Namen heißt er Stefan Biedermann und kommt aus Wien. Ein legendärer Ruf eilt ihm voraus, und in seiner Heimatstadt bekommen Leute heute noch feuchte Augen, wenn sie von Partys mit DSL schwärmen. Im Falter, dem Wiener Stadtmagazin, heißt es sogar, eigentlich könne der gemeine Wiener nur dank seiner, „des zerbrechlichen Titanen“, wie es heißt, und seiner Auflegekünste, behaupten, er sei ein Weltstädter, wenn er sich im Ausland herumtreibt. Mit den beiden anderen berühmten Aushängeschildern des neueren Wiener Sounds, Patrick Pulsinger (der übrigens heute unweit der DSL- Party, im WMF auflegen wird) und Peter Kruder, hatte er dort einmal eine Band, „The Moreaus“. Doch die löste sich auf, um ihre Mitglieder die verschiedenen Facetten des Sound Of Vienna entwickeln zu lassen. Zwischen der vielseitigen Electronica des ersten und dem Downtempo des zweiten hielt sich DSL an HipHop.

Doch im Unterschied zu seinen ehemaligen Bandkumpels legt DSL nur noch sporadisch auf. Nachdem er es Mitte der Neunziger schon einmal in die DJ- Berühmtheits-Oberliga geschafft hatte, wurde ihm das zu anstrengend, und er fuhr die Häufigkeit seiner Auftritte zurück. Statt dessen spielte er nur noch, wann und wo es ihm paßte. Seine Zeit widmete er dem Tony-Polster-Fanclub Wien und gab auch die Platte „Tony Polster – Du bist leiwand“ heraus. Trotzdem gibt er sich ab und zu noch die Ehre, um am Schal seiner Legende weiterzustricken. Tobias Rapp

Galerie Meinblau, Christinenstraße 18/19, heute, 23 Uhr