Dichter, Krieger etc.
: Journalismusbeschimpfung

■ Gerechtigkeit für Serbien – und Selbstgerechtigkeit für alle: Peter Handke droht mit dem Aufführungsverbot seines neuen Stücks. Wieder einmal sind die Medien an allem schuld

Peter Handke ist ein Don Quijote des Medienzeitalters. Tapfer legt er die Lanze an, um gegen den „heutigen Journalismus“ anzureiten, wie einst der spanische Ritter gegen die Windmühlenflügel. Peter allein gegen den Rest der Welt, einer gegen die Allgewalt der Medien – so heroisch sieht er sich selbst, und so liest sich sein „Kurzer Brief an die ,Edelfedern‘ des Journalismus“, den der österreichische Standard am Samstag veröffentlichte.

Am Rande der Verhandlungen in Rambouillet hatte Handke im serbischen Staatsfernsehen mitgeteilt, daß sein Platz in Serbien sei, „sollten die Nato-Verbrecher das Land bombardieren“. Er verglich das Leid des serbischen Volkes mit dem Holocaust, nahm den Vergleich später aber wieder zurück: Er habe sich bloß „verhaspelt“. Tief verletzt von der Kritik, die ihm entgegenschlug, droht er nun mit einem Verbot seines neuen Stücks „Die Fahrt im Einbaum oder das Stück zum Film vom Krieg“, das am 9. Juni im Wiener Burgtheater uraufgeführt und kurz darauf in Belgrad gezeigt werden soll. Wenn die Journalisten Stück, Proben und Schauspieler nicht „in Frieden“ ließen, werde „das Publikum, das Zuschauervolk, für welches das Drama bestimmt und geschrieben ist, es dank euch Medienlichtern nicht sehen“.

Handke schließt also die Zugbrücken der Burg und pocht auf den geschützten Raum autonomer Kunst, den er doch zuvor selbst verlassen hat. Schreibt über mich, was ihr wollt, aber laßt meine Kunst in Ruhe, ruft er all denen zu, die scheinbar nichts anderes zu tun haben, als ihn zu quälen und neue Gemeinheiten auszuhecken. Zugleich liegt seiner Drohung die seltsame Vorstellung einer ungeteilten Öffentlichkeit zugrunde. Um an der Medienfront zu siegen, führt er das Theater ins Feld. Um die Journalisten zu treffen, will er das Publikum bestrafen: eine Geiselnahme. Falls das Publikum diese Strafe aber gar nicht zu würdigen weiß und – horrible dictu! – sogar in Jubel ausbricht, dann, so Handke, handelt es sich „um den freudlosen Jubel des ewigen Pöbels der Kunsthasser und der Nichtleser“, allesamt verdorben durch die Vorarbeit der schlechten Journalisten in ihrem „Abschaffensdrang“.

Peter Handke ist Don Quijote, und die Welt ist schlecht und seiner Kunst nicht würdig. Am Anfang, als er auszog, um „Gerechtigkeit für Serbien“ zu finden, hatte er ja durchaus etwas getroffen. Seine Kritik am Kriegsjournalismus wies darauf hin, daß nützliche Informationen nicht unbedingt mit der Kamera im Schützengraben zu finden sind. Seine Kritik an der Einseitigkeit der Berichterstattung beharrte darauf, daß die Nähe zur Front den Blick auf die Wirklichkeit auch verstellen kann, daß die Kategorie der Wahrheit etwas mit Distanz zu tun hat. Die Massengräber in Bosnien wollte allerdings der im serbischen Hinterland wandernde Handke nicht wahrhaben. Die Einäugigkeit vieler Kriegsberichte beantwortete er mit seiner eigenen Einäugigkeit. Und so verwandelte sich das mutige Vorhaben, die eindeutige und einseitige journalistische Sprache durch eine offenere, poetische Sprache zu ergänzen und zu verbessern, immer mehr in eine trotzige Parteinahme für Serbien, die Suche nach „Gerechtigkeit“ in Rechthaberei und Selbstgerechtigkeit.

Vielleicht muß man sich darüber nicht wundern. Einer, der „den Journalismus“ herausfordert, hat „den Journalismus“ gegen sich, der auch keinen Spaß versteht und beherzt zurückprügelt. Selbstgerechtigkeit für alle! Mag sein, daß Handke in seiner Parteinahme für Serbien fairer behandelt worden wäre, hätte er nicht einen ganzen Berufsstand in seinem Ethos angegriffen. In den Artikeln gegen ihn, so stellt er jetzt in gespielter Abgeklärtheit fest, werde laut, „was dort eben laut zu werden hat, in dem Sinn, wie ordentliche Hunde, sowie ein Revierfremder ihr Revier streift, ordentlich bellen müssen. Dazu ist nichts zu sagen. Zu dem Hauptstrang des heutigen Journalismus fällt mir nichts ein.“ Erst anpinkeln und dann mißachten: Das nennt man gezielte Provokation. Auf diese Disziplin versteht sich der Publikumsbeschimpfer Handke meisterhaft. Falls es ihm nur darum geht, die pawlowschen Reflexe – um bei der Hundemetapher zu bleiben – des Journalismus wachzukitzeln, dann macht er das sehr geschickt: Die „Edelfedern“, die er attackiert, reagieren nicht weniger beleidigt als Handke selbst. Gesünder wäre es allerdings, demnächst einmal zu erklären: Zum heutigen Handke fällt mir nichts mehr ein. Dann könnte auch sein „Stück zum Film vom Krieg“ endlich Gerechtigkeit erfahren. Jörg Magenau