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Wissenschaftler jenseits der Legalität

■ Wouter Basson war ein treuer Handlanger des Regimes und träumte von einer ethnischen Waffe, mit der die schwarze Bevölkerungsmehrheit selektiv unfruchtbar gemacht werden konnte

Noch vor zwei Jahren schien das Bild perfekt. Wouter Basson galt als guter Wissenschaftler und loyaler Offizier mit untadeligem Ruf. Mit seiner zweiten Frau und einem kleinen Sohn lebte er in einem teuren Haus in einem ruhigen Vorort von Pretoria. Auch die neue ANC- Regierung hatte dem Kardiologen wieder eine hohe Stellung verschafft. Heute allerdings heißt Wouter Basson in Südafrika nur noch „Doctor Death“, und mit seinem Namen verbindet sich ein ebenso grusliges wie groteskes Kapitel des Traums von der weißen Vorherrschaft.

Der heute 47jährige war jahrelang der Chef eines streng geheimen Projekts zur Herstellung von B- und C-Waffen. Die Öffentlichkeit erfuhr davon erst durch die Recherchen der südafrikanischen Wahrheitskommission, die immer wieder zu einem Namen geführt hatten: Dr. Wouter Basson, gegen den auch die Staatsanwaltschaft ermittelte. Denn der begabte Wissenschaftler war längst zum Kriminellen geworden.

Anfang 1997 war Basson ironischerweise einem Sonderkommando eines Drogendezernats in die Falle gelaufen, als er versuchte, Extasy-Tabletten im Wert von rund 20.000 Mark zu verkaufen. Während er selbst geradezu erleichtert war, nur der eigenen Polizei in die Hände gefallen zu sein, erkannten die Fahnder erst nach und nach, welchen Fang sie da tatsächlich gemacht hatten: Der unscheinbare bärtige Mann war der Dr. Seltsam des Apartheid-Regimes, der schon seit Jahren mit einem Bein in der Unterwelt stand. In den achtziger Jahren ging der ehemalige Geheimdienstgeneral und Topagent in mehr als zwei Dutzend Ländern auf der Welt ein und aus, um das „Project Coast“ mit chemischen und biologischen Rohstoffen zu versorgen.

Ausgestattet mit einem millionenschweren Budget gründete Basson ein kaum entwirrbares weltweites Geflecht von Scheinfirmen und Laboren, um zu Hause seinen Experimenten nachgehen zu können und sich selbst zu bereichern. Nach Aussagen seiner früheren Mitarbeiter war der Kardiologe ein guter Wissenschaftler – mit einem Hang zur Besessenheit. Dem Apartheid-Staat diente der Sohn eines Polizisten mit unbedingter Loyalität. Schon vor dem Start des „Projects Coast“ im Jahr 1983 hatte Basson eine steile Karriere in der südafrikanischen Armee durchlaufen. Er gründete das legendäre Bataillon 7 der Armee, das in alle schmutzigen Kriege im südlichen Afrika verwickelt war. Anfang der achtziger Jahre erhielt er vom damaligen Verteidigungsminster Magnus Malan den Auftrag, mit chemischen Waffen zu experimentieren.

Bassons Lebenstraum aber war ein Gift, das keine Spuren hinterläßt. In seinen Laboren wurden Substanzen gebraut, mit denen oppositionelle Politiker aus den Befreiungsbewegungen beseitigt werden sollten. Man arbeitete an Massensterilisierungsmitteln nur für die schwarze Bevölkerungsmehrheit und stellte in großem Stil Mandrax und Extasy her, um gewalttätige Demonstranten ruhig zu stellen – aber auch, um sie zu verkaufen. Angeblich wollte Basson sogar die Bevölkerung in der besonders unruhigen Provinz Ostkap mit Cholera infizieren.

1993, in den Wirren der Transformationszeit, endete Bassons Karriere abrupt, nachdem er in einem Untersuchungsbericht erstmals in Zusammenhang mit kriminelle Machenschaften gebracht wurde. Zudem wurde das Interesse der Staatsanwaltschaft geweckt, nachdem die Armeeführung befohlen hatte, die Tarnfirmen innerhalb Südafrikas zu privatisieren. Von Oktober diesen Jahres an wird ihm der Prozeß gemacht: wegen Anstiftung zum Mord, illegalen Drogenhandels und Betrugs in Höhe von fast 20 Millionen Mark.

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