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Abschiebung aus der Türkei

Nach 52 Stunden in Haft kehrt Newroz-Delegation nach Hamburg zurück  ■ Von Elke Spanner

Politisch sei die Beobachtung der kurdischen Newroz-Feiern sinnvoll, findet Henning Hoffmann – trotz der erlittenen Schikanen: „Ich hoffe, daß auch im kommenden Jahr wieder Delegationen in die Türkei reisen.“ Nachdem seine neunköpfige Gruppe aus Schleswig-Holstein in der türkischen Stadt Adana 52 Stunden in Polizeihaft gesessen hatte, traf sie gestern auf dem Hamburger Flughafen ein – abgeschoben aus der Türkei.

Zahlreiche FreundInnen standen zum Empfang bereit. Transparente mit der Aufschrift „Türkei verschleppt, foltert und mordet – BRD liefert Waffen“ hingen direkt gegenüber dem Ausgang im Terminal 1. Niemand, der den Flieger aus Istanbul verließ, kam an der Botschaft vorbei. Plötzlich der Ausruf „Hey, Harald“. Einer hat die DelegationsteilnehmerInnen entdeckt. Eine Frau seufzt: „Zum Glück sind sie wieder da“.

Die neun sind sichtlich erschöpft. Erleichtert über die eigene Sicherheit, besorgt über die KurdInnen in der Türkei, die sie dort kennengelernt haben. Hin- und hergerissen zwischen dem Bedürfnis, das Erlebte mitzuteilen, und dem Wunsch, in Ruhe die FreundInnen zu begrüßen. Die anwesenden Presseleute wollen mit ihren Mikrofonen Leidensgeschichten einfangen. Doch die neun widerstehen der Versuchung, sich selbst als Opfer des türkischen Regimes in den Vordergrund zu stellen: „Was wir erlebt haben“, schickt Hoffmann vorweg, „ist nichts im Vergleich zu dem, was dem kurdischen Volk täglich an Unterdrückung widerfährt.“

Am Donnerstag war die Gruppe aus Kiel, Lübeck und Eckernförde nach Adana gereist. Sie wollte sich ein eigenes Bild über die Lebenssituation von KurdInnen verschaffen und die Newroz-Feiern als internationale Beobachter begleiten. Dazu kam es jedoch nicht. Am Samstag wurden alle neun in ihrem Hotel verhaftet und zum Polizeihauptquartier von Adana gebracht. Die Vorwürfe gegen sie veränderten sich immer wieder, „je nachdem, wer mit uns sprach und in welcher Stimmung der gerade war“, erzählt Hoffmann. Das eingeforderte Gespräch mit einem deutschen Botschafter wurde ihnen verweigert.

Die Zeitung Hürryet hatte am Montag unter Berufung auf Adanas Polizeipräsidenten Sükrü Yetimoglu berichtet, die neun hätten an Newroz-Feiern teilgenommen und dabei für die kurdische Arbeiterpartei PKK geworben. Doch zur gleichen Zeit saßen die Deutschen längst in Haft.

17 Deutsche wurden in den vergangenen Tagen in unterschiedlichen Orten der Türkei festgenommen. Bei Abschiebungen von KurdInnen beruft die deutsche Bundesregierung sich gerne auf Absprachen mit der Türkei, in denen die Menschenrechte garantiert würden. In welchem Maße die Türkei tatsächlich diese Rechte wahrt, dürfte sich am Fall der Festnahmen ein weiteres Mal gezeigt haben. In Hamburg sitzen noch sechs KurdInnen in Abschiebehaft, die in die Türkei zurückgeschickt werden sollen.

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