: Hurra Deutschland – danke, Sir
Das 3:0 in Nordirland läßt Präsident Braun, Teamchef Ribbeck und die DFB-Spieler hoffen, das Schlimmste sei bereits überstanden – und das 3-4-3-System eine relle Option ■ Von Peter Unfried
In Herzogenaurach sitzen die DFB-Fußballer und ihr Teamchef – und atmen. Das hat einen Wert. Denn auch wenn Erich Ribbeck sagt, er habe das Atmen nie vergessen, bläst es sich nach den glücklichen Ereignissen vom Wochenende nun die Backen doch eindeutig leichter auf. „Stellen Sie sich einmal das Szenario vor, wenn wir verloren hätten“, sagt DFB-Präsident Egidius Braun (74) in seiner erfrischenden Art: „Wie stünde ich dann hier?“ Nicht auszudenken.
Also: Ribbeck (61) verbietet sich zwar klugerweise unmittelbar bevorstehende „Wunderdinge“, hat mit seiner pragmatischen Medientaktik, Branchentaktik und Spieltaktik – volle Kooperation mit den Stärksten (Bild – Beckenbauer – Bayern) – seinen zweiten Sieg (nach Moldawien) und damit einen ersten echten Erfolg verbucht. Heißt: Er kann in Ruhe weiterwurschteln. Zumindest mal bis übermorgen – wenn mit den Finnen (Fifa-Position 52) der dritte Bewerber um den EM-Platz in Nürnberg anrückt, immerhin mit der Referenz eines Sieges bei Mitbewerber Türkei (45) ausgestattet.
Was aber folgt aus dem 3:0 gegen die mit drittklassigen Profis von Chesterfield und Manchester City angetretenen Nordiren? Daß man gegen Nordirland ohne Möller, Basler und mit (1. Halbzeit) oder ohne (2. Halbzeit) Matthäus (38) gewinnt? Eher: Mittelfeldspieler Dietmar Hamann ist einer der deutschen Profis mit internationale Perspektive (Bode trotz seines großen Tages eher weniger). Neuville ist ein echter Fußballspieler, den man probieren muß.
Grundsätzlich? Jupp Heynckes, soeben als inhaltlicher Chefkritiker des deutschen Fußballs leider zurückgetreten, sagt zumindest soviel: „Das Spiel hat keine Aussagekraft, wo der deutsche Fußball steht.“ Aber: „Aber 3:0 gegen Nordirland muß man erst mal gewinnen.“ Nach dem 0:3 gegen die USA (Fifa-Position 23) ist das eine reelle Sicht der Dinge.
Wenn man es positiv sehen will, kann man also sagen: Ribbeck hat pragmatisch auf die Situation reagiert, indem er das offenbar grundsätzlich wettbewerbsfähige System des Bundesligatabellenführers FC Bayern formal kopiert und mit geübten Bayern-Profis besetzt. Wenn nun aber alle was von Offensive erzählen, und daß dieses 3-4-3 mit zwei Außenstürmern „gerade gegen eine Viererkette“ (Matthäus) das richtige taktische Hilfsmittel sei, muß man nachfragen: Wieso? Erstens ist die Viererkette der Nordiren nicht die der Franzosen. Zweitens kann man genauso gut argumentieren, die Schwachzonen der Kette seien an den Schnittstellen zu finden, an denen die kreuzenden Stürmer übergeben werden – also innen.
Eine interessante Frage ist: Warum hatte Toremacher Bierhoff keine Torchance? Er hätte doch von den beiden Flügeln Bode und Neuville profitieren müssen. Antwort: Weil er nicht gut gespielt hat. Vielleicht aber auch, weil die Flügel in Wahrheit vernachlässigt wurden. Paradox?
Es stimmt: Bodes 1:0 fiel, da Neuville sich solo rechts durchsetzte. Zum Vergleich: Die Bayern mit ihrer (bei Einsatz von Basler leicht asymetrischen) zentralen Raute haben Effenberg vor statt neben Jeremies und schieben rechts Strunz und manchmal sogar Babbel nach, was vernünftig ist, wenn man gegen relevante Gegner die Grundlinie erreichen will.
Die DFB-Bahnenspieler Strunz (rechts) und Heinrich (links) aber schoben selten nach, sondern verstärkten hauptsächlich die Abwehr. Beide inneren Mittelfeldspieler Jeremies und Hamann auch, womit klar wird, warum das DFB-Team nicht in der Lage war, eine Spieleröffnung zu betreiben – es war niemand dafür übrig.
Ribbeck verzichtet (auch aus Verletzungsgründen) auf einen Eröffnungspieler. Er spielt also Bayern, aber defensiver und ohne Effenberg. Logische Folge: „Das Kombinationsspiel mußte zu kurz kommen.“ (Ribbeck) Gegen wen will er „Kombinationsspiel“ wagen? Wie weit er ohne kommt, wird er vielleicht schon am Mittwoch sehen. Mitarbeit: Uli Fuchs
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