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Unterm Strich

Und sagte kein einziges Wort während der Lesung (siehe oben) zum Krieg, der Grass. Am darauffolgenden Tag wollte er seine Meinung zum Kosovo-Einsatz der Nato dann aber doch nicht länger zurückhalten. Er halte ihn für nötig, aber viel zu spät. Grass warf dem Westen Konzeptionslosigkeit vor. Das militärische Eingreifen auf dem Balkan sei „ein letzter ohnmächtiger Ausdruck der versagenden Politik.“ So sei unklar, ob es zu dem von der Nato gewünschtem Ergebnis führe. Auch habe die westliche Seite kein Konzept für den Einsatz von Bodentruppen oder die Beteiligung am wirtschaftlichen Wiederaufbau der Länder nach dem Krieg. Als „Schock“ empfand Grass ferner die erste deutsche Beteiligung an einem Krieg seit mehr als 50 Jahren. Die politischen Mittel seien im Balkan-Konflikt nicht ausgeschöpft worden. Die „Tragödie“ habe bereits 1989/1990 begonnen, als der heutige jugoslawische Staatspräsident Slobodan Milošević die Autonomie der Albaner aufgekündigt und seine Truppen in das Gebiet geschickt habe. Grass warf dem früheren Außenminister Hans- Dietrich Genscher vor, daß die Bundesrepublik damals Kroatien und Slowenien übereilt anerkannt und damit den Zerfall Jugoslawiens befördert habe. „Verzicht auf Vernunft führte zu Ergebnissen wie auf dem Balkan“, sagte Günter Grass.

Der 67jährige Schrifsteller Latif Berisha aus dem Kosovo ist nach einem Zeitungsbericht in seiner Heimat ermordet worden. Der Literaturwissenschaftler an der Universität von Priština sei gemeinsam mit seiner Familie von einem serbischen Mordkommando exekutiert worden, meldete die Leipziger Volkszeitung am Sonnabend. Das habe das Kosovo-Kulturzentrum in Tirana bestätigt. Der Sprecher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Eugen Emmerling, sprach von einer „verabscheuungswürdigen Tat“.

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