piwik no script img

Krieg in Jugoslawien

[...] Die Journalisten – auch die der taz – spielen eine traurige Rolle in diesem noch traurigeren Spektakel. Eine vergleichbare Gleichschaltung und Vereinfachung der Information, das praktisch vollständig ausbleibende Hinterfragen der Positionen von Nato-Verlautbarungen und die einhellige Verteufelung des „Milošević-Regimes“ – welch Bezeichnung für eine demokratisch legitimierte Regierung! – macht das Berufsethos der Journalisten zur ausgehöhlten Phrase. Wer die von Phoenix, dem Juwel des deutschen Fernsehens, übertragenen Pressekonferenzen von Politikern oder Militärs einmal mit der anschließenden Berichterstattung der „Tagesschau“ vergleicht, kann die völlige Kritiklosigkeit nur als Selbstzensur oder selbstgesteuerte Propaganda verstehen.

Clinton, Blair und Schröder verteidigen, an der Hand von Militäreinflüsterern und auf dem Boden der globalen CNNisierung, „unsere Werte“ und „unsere Moral“ auf dem Balkan. Aber was sind das für Werte, wenn sie beinhalten, mit Waffengewalt durchgesetzt werden zu können? Was für ein weltbürgerliches Bewußtsein ist das, das auf Barbarei mit Barbarei und auf gesteigerte Brutalität mit gesteigerter Brutalität antwortet? Seit wann gibt es im Leben die endgültige Gewißheit, „alles, aber auch alles“ unternommen und definitiv keine Alternativen mehr zu haben zu einer Lösung, von der man weiß, daß sie gar keine ist? Und was ist das für eine Öffentlichkeit, die das alles nicht nur schluckt, sondern in Form von Klonjournalismus in unendlicher Einfalt reproduziert?

Zum ersten Mal beängstigt mich Joschka Fischers Selbstsicherheit, und zum ersten Mal spricht Gysi mir aus dem Herzen. Felix Holland, Hamburg

[...] Warum internationale Verantwortung immer mit dem Auslöschen von Menschenleben einhergehen muß, werde ich wohl nie verstehen. Thomas Loos, Schwaig

[...] Ich fordere Kriegesminister Joseph Fischer und Rudolf Scharping auf, sich im Geiste von Rambouillet unverzüglich für nachfolgende Konferenzen einzusetzen: Baskenkonferenz (Spanien, Frankreich, ETA), Kurdenkonferenz (Türkei, Syrien, Irak, PKK), Korsikakonferenz (Frankreich, FNLC). Sollten innerhalb von sechs Monaten keine weitgehenden Autonomielösungen erreicht werden, wäre der Einsatz von Nato-Friedenstruppen zu avisieren. Achim Hecht, Stegaurach

[...] Die USA wollen so lange bombardieren, bis Milošević anruft. Wir wissen das, dieses wird nicht passieren. Was ist die Lösung? So eine dumme wie „noch mehr bombardieren“? Noch länger? Wahnsinn ist das. Wo ist die Grenze, liebe Leute, wie kann man so etwas anfangen, ohne es zu wissen?! Mein Gefühl (fast Angst) ist, daß wir bereits die Grenze erreicht haben. Nun müssen wir schon viel mehr retten, als das am Anfang der Fall war. Und morgen wird es noch mehr zu retten geben, wenn überhaupt noch was zu retten sein wird. Also, sofort aufhören!! UNO unterstützen statt USA. Davide Brocchi, Düsseldorf

betr.: „Ströbele – plötzlich im Licht der Öffentlichkeit“,

taz vom 27./28. 3. 99

[...] Ob mit Luftangriffen oder Militäraktionen der Zivilbevölkerung im Kosovo geholfen werden kann, ist sicherlich fraglich. Die Alternative Verhandeln, Abwarten und Wegschauen hat den Albanern im Kosovo bisher aber ebenfalls in keiner Weise geholfen. Es steht zu befürchten, daß eine Beendigung der Militäraktion zum jetzigen Zeitpunkt eine fanatisierte serbische Soldateska zu noch grausameren Verbrechen ermuntert als bisher schon geschehen. Wer die Beendigung der Militäraktion fordert, muß Auskunft geben, wie er weitere Verbrechen dieser Art verhindern will, oder er muß das Bekenntnis ablegen, daß um des Friedens willen Vertreibung und Völkermord im Kosovo in Kauf genommen werden müssen. Michael Parys, Stuttgart

Auch ich schäme mich für unser Land, das nach 54 Jahren wieder Bomben auf Belgrad wirft. Ich danke Herrn Ströbele und seinen sechs FraktionskollegInnen, daß sie aufzeigen, daß es in Deutschland zwar eine sehr kleine, aber eben doch eine Opposition gegen diesen furchtbaren Krieg gibt. Clemens von Lassaulx, Hamburg

betr.: „Alle tragen die Verantwortung“, taz vom 27./28. 3. 99

[...] Ist das die neue Politik, die als leuchtendes Beispiel für gewaltfreie Konfliktlösung werben wollte? Niemand hier wird Milošević' Politik befürworten; das Ziel, den Menschen im Kosovo zu helfen, könnte wohl jede/r hier unterschreiben. Doch das Leid der Kosovaren wird nicht dadurch gelindert, daß man anderen unschuldigen Menschen Leid zufügt, wie dies jetzt, zwangsläufig und vorhersehbar, auf serbischem Gebiet geschieht.[...] Oliver Seegatz, Kiel

betr.: „Welches Ziel“ von Christian Semler, taz vom 26. 3. 99

[...] Ob die militärischen Aktionen die Vertreibung und das Morden an den Albanern einschränken oder bald stoppen werden, ist zweifellos nicht sicher. Sicher ist aber zweifellos, daß das Zuschauen und Fortführen der erfolglosen Gespräche den Zustand der Vertreibung und des Mordens erhält. Die entscheidende Frage ist darum nicht: „Luftangriff ja oder nein? – die entscheidende Frage ist: „Wollen wir Mord und Vertreibung stoppen“? Wer dazu ja sagt, entscheidet sich für eine militärische Intervention. Alles andere hat den Stellenwert von „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß“. [...] Andreas Hörmann, Frankfurt/Main

[...] Menschenrechte sind, wenn der Westen es entscheidet. [...] In Kurdistan geschieht nichts. [...] Menschenrechte? Allenfalls die UNO erhebt ein leises Stimmchen. Aber die, so lehrt das jüngste Geschehen, braucht man ja nun nicht mehr. Die neuen Kämpfer unter dem Banner der Menschenrechte entscheiden nicht nur, wann und wo gekämpft wird, sie entscheiden auch, wann und wo Menschenrechte gelten. Wer mit lautem Schall und stolzer Brust das harte Durchgreifen in Jugoslawien forderte und vertritt, der sollte um seiner Glaubwürdigkeit willen sich gleichermaßen für die Kurden einsetzen: Wer Kosovo sagt, der muß auch Kurdistan sagen. Oder leiser sprechen. Auch, wenn es dann weniger Modeworte gäbe. Guido Korzonnek, Celle

Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die auf dieser Seite erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen