Demonstrieren gegen Rechts ja – aber wo?

■ Am 1. Mai will der DGB auf dem Marktplatz gegen die NPD protestieren – nun fordern Betriebsräte und Gewerkschafts-Mitglieder, diesen Beschluß zu revidieren.

Es macht sich Unmut gegen die Bremer Gewerkschaftsspitzen breit: Mit dem Beschluß des DGB, am 1. Mai ab 11 Uhr auf dem Marktplatz und nicht vor den DaimlerCrysler-Werkstoren gegen rechte Parteien zu demonstrieren, wollen viele Mitglieder nicht leben. Am Tag der Arbeit will die NPD ab 10 Uhr am Wekstor von DaimlerCrysler mit bis zu 5.000 Personen vorbeidefilieren.

DaimlerCrysler-Betriebsrat Gerhard Kupfer sammelt nun Unterschriften für einen Aufruf, der die Gewerkschaftsspitzen dazu bewegen soll, doch noch zu einer Demonstration in Sebaldsbrück aufzurufen. „Der 1. Mai ist der internationale Kampftag der Arbeiterklasse“, heißt es in dem Aufruf. „Er ist unser Tag. Deswegen ist es für uns klar, daß wir am 1. Mai 1999 an dem Ort demonstrieren werden, an dem die faschistische Provokation stattfinden soll (ungeachtet dessen, ob sie nun letztendlich erlaubt oder verboten wird). (...) Dies erwarten wir nicht nur von unseren Gewerkschaften, sondern von allen Kolleginnen und Kollegen, von allen demokratisch gesinnten Menschen in und um Bremen.“

Der Aufruf, der seit etwa einer Woche zirkuliert, wurde bereits von 50 bis 60 Vertrauensleuten und Betriebsräten unterzeichnet, berichtet Kupfer. Acht Jugendorganisationen aus dem Stadtteil forderten zudem den DGB „ausdrücklich auf, uns nicht im Stich zu lassen, sondern die 1. Mai-Kundgebung hier im Stadtteil Sebaldsbrück abzuhalten und parallel unter keinen Umständen zu anderen Veranstaltungen aufzurufen“.

Unmut hatte der DGB schon bei drei „Ratschlägen“ auf sich gezogen, in denen teilweise bis zu 80 Gewerkschafter und Vertreter verschiedenster Gruppen berieten, wie man sich zu dem NPD-Aufmarsch verhalten sollte. Die Mehrheit der Anwesenden habe sich für eine Demonstration vor den Werkstoren ausgesprochen – doch überraschend sei das fertige DGB-Demo-Plakat präsentiert worden. „Die Anwesenden haben sich zu recht ziemlich verarscht gefühlt“, sagt Betriebsrat Kupfer. Das Gremium sei nicht repräsentativ gewesen, entgegnet die Gewerkschaft.

Betriebsräte verschiedener Betriebe äußerten Sympathie für den Vorstoß, in Sebaldsbrück zu demonstrieren – wenn auch die Mehrheit gleichzeitig zu der DGB-Kundgebung mobilisieren will. Die Stahlwerke-Betriebsräte haben in einem Brief an Henning Scherf mitgeteilt, daß sie sich neben ihre Kollegen bei DaimlerChysler stellen werden, „um die NPD-Kundgebung zu verhindern“. Auch die Vertrauensleute-Leitung des Zentralkrankenhauses Ost will in Sebaldsbrück demonstrieren. „Falls es zu Ausschreitungen kommen sollte, würden wir uns aber sofort zurückziehen“, sagt Personalratsvorsitzender Jochen Killing.

Auf Führungsebene der Einzelgewerkschaften, die dem DGB angeschlossen sind, steht man zwar zu dem offiziellen Aufruf – an mancher Stelle wird aber auch Sympathie für die Chrysler-Leute bekundet. So will man in der (GEW) zwar zu der Marktplatz-Demonstration aufrufen, allerdings wurde der DGB aufgefordert, gleichzeitig eine Demonstration in Sebaldsbrück anzumelden – um den Druck für ein Verbot zu erhöhen.

DGB-Chefin Helga Ziegert rechtfertigt den Entschluß, in der Innenstadt präsent zu sein: „Wir wollen, daß möglichst viele demonstrieren – deshalb geben wir eine klare Orientierung.“ Einen innergewerkschaftlichen Konflikt sieht sie nicht heraufziehen.

Christoph Dowe