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Gesucht sind weltweite Allianzen

■ Tourismus und nachhaltige Entwicklung: Vom 19. – 30. April 1999 findet in New York die 7. Konferenz der UN-Kommission für Nachhaltige Entwicklung (CSD) statt. Eine Vorschau

Einer der Diskussionsschwerpunkte – neben den Themen „Kleine Inseln“, „Ozeane“ und „Verhalten von Konsumenten“ – auf der CSD-Konferenz wird sich mit „Tourismus und Nachhaltigkeit“ beschäftigen. Die alljährlich stattfindenden CSD-Konferenzen dienen der Festlegung konkreter Ziele und Maßnahmen in der Umsetzung der „Agenda 21“, welche 1992 in Rio bei der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung beschlossen wurde. Dem Tourismus wurde in der Agenda 21 kein eigenes Kapitel gewidmet.

Der Tourismus ist in den letzten Jahrzehnten zu einem der größten globalen Wirtschaftszweige aufgestiegen. Bereits ein Neuntel der Arbeitsplätze weltweit hängen direkt oder indirekt vom Tourismus ab. Mega-Tourismuszentren mit mehreren Millionen Besuchern pro Jahr wachsen überall aus dem Boden. Tourismus ist auf einen nachhaltigen Umgang mit der Umwelt angewiesen.

Bei den Hauptproblemen in Europa ist vor allem der zunehmende Verkehr zu nennen: 60 Prozent der Touristen reisen mit dem Auto an und tragen damit zu Lärm und Luftverschmutzung entlang der großen Verkehrsrouten bei. Der verschärfte Wettbewerb und die zunehmende Konzentration des Tourismusgeschehens führen zur drastischen Verstädterung bekannter Tourismusorte in den Alpen oder an den Küsten. Die damit verbundenen Belastungen der Bewohner und der Natur gefährden wesentliche Tourismuselemente wie regionale Kultur, Natur oder schöne Landschaft.

In den Entwicklungsländern verbinden sich mit dem Tourismus Hoffnungen auf wirtschaftliche Prosperität, ohne daß dafür die nötigen Rahmenbedingungen geschaffen werden. 75 Prozent des Tourismusgeschehens spielt sich innerhalb der sogenannten Triade Nordamerikas, Europas und Japans ab. Der Rest sind Reisen aus der Triade in die Dritte Welt.

Derzeit steigt die Zahl der Fernreisen in den pazifischen und karibischen Raum rasant. Dieser Anteil wächst nicht zuletzt deshalb, weil die Flugpreise im Keller sind und die Kosten in der Dritten Welt mit jenen in der Triade kaum vergleichbar sind. Soziale Absicherung, Mindestlöhne oder Umweltauflagen existieren nicht, weshalb eine Woche Martinique nicht selten billiger ist als eine Woche im Schwarzwald.

Der wirtschaftliche Erfolg dieses mit hohen Krediten internationaler Banken und Institutionen finanzierten Tourismus für die betroffenen Länder ist fraglich. Sogar die Weltbank hat ausgerechnet, daß mehr als 55 Prozent der Gewinne wieder in die Industriestaaten oder zu den entsprechenden Kapitalablegern in der Dritten Welt abfließen.

Die CSD wird es nicht leicht haben, Maßnahmen zur Umkehr dieser bedenklichen Trends zu beschließen. Die Positionen sind klar.

Auf der einen Seite die Industriestaaten – welchen die Abwanderung der Tourismuskaufkraft ein Dorn im Auge ist. So können zum Beispiel viele Punkte des Positionspapiers der Europäischen Union nur unterstrichen werden, wenn sie auch für den EU-Raum gelten würden. Aber die Europäische Union hat zur Freude ihrer Mitgliedsstaaten keine Tourismuskompetenz, weshalb die schönen und guten Forderungen innerhalb Europas sicher nicht zur Anwendung kommen werden. Für Nachhaltigkeit ist man also allemal – wenn sie woanders stattfindet.

Umgekehrt die Haltung der „südlichen Länder“ – so die offizielle Bezeichnung der G 77 – also jener Staatengruppe, welche vor allem die Dritte Welt und China umfassen. Sie sind zwar für mehr Zusammenarbeit und Förderung des Tourismus, wenn damit ein Finanz- und Wissenstransfer verbunden ist. Aber von Menschenrechten und Mindeststandards wollen sie nichts im Abschlußpapier sehen.

NGOs, wie etwa das deutsche Forum für Umwelt und Entwicklung oder die Naturfreunde Internationale sehen die klare Verantwortung der „nördlichen Länder“ im Welttourismus: deren Bewohner sind für 99 Prozent des Tourismus verantwortlich.

Ohne klare Rahmenbedingungen auf internationaler Ebene wird es zu keiner Trendumkehr kommen, weder in Europa, noch in der Dritten Welt. Gesucht sind Allianzen – wie zum Beispiel die internationale Gewerkschaftsbewegung, welche ebenfalls an klaren rechtlichen Mindeststandards bei Arbeitszeit oder Löhnen interessiert ist. Wie und ob sich dieser gordische Knoten im April in New York auflösen wird, bleibt abzuwarten. Manfred Pils

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