Die UÇK rekrutiert neue Kämpfer für das Kosovo

Vertriebene und Freiwillige aus anderen europäischen Ländern schließen sich der Guerilla in Nordalbanien an. Die UÇK bereitet sich auf die Rückkehr in das Kosovo vor und hofft, daß die Nato einen Korridor durch die serbischen Grenzstellungen schlägt  ■ Aus Kruma Erich Rathfelder

Sie stehen auf dem Lastwagen und recken trotzig die Faust in den Himmel. Hunderte von kosovoalbanischen Männern fahren von der nahe der Grenze zum Kosovo liegenden Stadt Kruma in die Ausbildungslager der „Kosova Befreiungsarmee UÇK“, die weiter nördlich versteckt in den Bergen liegen sollen. Nur manche haben Uniformen an, die meisten tragen jene Kleidung, die ihnen während der Vertreibung aus dem Kosovo geblieben ist.

Die kleine, in Albanien gelegene Stadt Kruma wird wie die Gebiete weiter nördlich schon seit geraumer Zeit äußerlich von der UÇK beherrscht. Über die vom Regen schlammigen Straßen rollt der Nachschub für die Truppen, die sich anschicken sollen, das Kosovo von den Serben zurückzuerobern. Staunend betrachten die Bewohner des abgeschiedenen, vom Bergbau lebenden Ortes das Treiben auf ihren Straßen. UÇK-Kämpfer mit ihren Abzeichen – dem schwarzen Doppeladler auf rotem Feld – rangieren ihre Autos, leiten die Lastwagen durch den Ort, patrouillieren in den Straßen. Ab und zu sind auch die schwarzen Uniformen der UÇK-Militärpolizei zu sehen, die zusammen mit albanischen Polizisten für Ordnung sorgen.

Seit einigen Tagen ist die Kampagne zur Anwerbung weiterer Kämpfer angelaufen. Sie wurde etwas großspurig als Mobilisierung aller Männer des Kosovo angekündigt. In Wirklichkeit haben sich die Männer freiwillig gemeldet.

„Wir konnten sehen, wie UÇK- Leute Flüchtlinge direkt an der Grenze gefragt haben, zur UÇK zu kommen, gezwungen wurde nach unserem Beobachtungen aber niemand“, sagen OSZE-Mitarbeiter, die sich schon seit Wochen in der Region aufhalten. Die Stimmung der Männer auf einem Lastwagen bestätigt die Beobachtung. „Jetzt, nachdem wir unsere Familien in Sicherheit wissen, werden wir um das Kosovo kämpfen“, sagt einer der Rekruten, der aus Djakova stammt, stellvertretend für die anderen.

Auch ein Bus ist angekommen. In ihm sitzen 60 uniformierte und durchtrainierte Männer. Es sind UÇK-Kämpfer, die offenar schon eine militärische Ausbildung hinter sich haben. „Woher stammst du, aus Deutschland?“ fragt einer plötzlich in schwäbelndem Deutsch. Und gleich nach der Antwort erzählen die Soldaten, daß sie selbst aus Cannstadt und Donaueschingen kommen, aus Dortmund und Luzern. Die meisten dieser Kämpfer sind Kosovo-Albaner aus dem Exil.

Die Straße nach Norden ist zwar nicht geteert, doch in letzter Zeit ausgebaut worden. Sie schlängelt sich an den Berghängen entlang, die die Grenze zum Kosovo bilden. In den Dörfern herrscht ungewöhnlich reges Treiben. Albanische Bauern haben Vertriebene aus dem Kosovo aufgenommen. Der Kontakt fällt leicht, sofort findet sich jemand, der Deutsch spricht. Denn ein großer Teil der hier anzutreffenden älteren kosovoalbanischen Männer haben einige Zeit als Gastarbeiter oder im Exil in Deutschland oder der Schweiz gelebt.

Ein lauter Knall, der sich wie ein Artillerieeinschlag anhört, durchbricht die Stille des Nachmittags. In der Höhe glitzert ein Nato-Flugzeug, das gerade die Schallmauer durchbrochen hat. Die Menschen auf der Dorfstraße freuen sich, daß die serbischen Truppen angegriffen werden. „Es ist wunderbar, daß die Nato hilft“, sagt ein Mann, der vor wenigen Tagen mit seiner Familie hierher geflohen ist. Erst vor fünf Jahren habe er in einem Grenzdorf in Kosovo sein Haus gebaut, das Ergebnis von 25 Jahren Arbeit in Deutschland. „Sie haben es verbrannt“, sagt er. Jetzt hofft er, daß seine Rente nach Albanien überwiesen werden kann.

Nach einer Kurve taucht eines der Militärgelände auf. Schwerbewaffnete, mit blauen Käppies ausgestattete UÇK-Leute bewachen hier einige Bunker, in denen offenbar Nachschubgüter gelagert sind. Mit wütenden Gesten scheuchen sie die Journalisten weg. Kaum einen Kilometer weiter ruhen sich etwa 100 UÇK-Soldaten auf einer Wiese aus. Mit ihren Helmen und den gepanzerten Westen sind sie in Kampfbereitschaft versetzt. Kurze Befehle gellen, die Männer springen auf und marschieren in Formation auf die nahe gelegene Grenze zu.

„Noch ist es nicht so weit“, erklärt einer der UÇK-Leute in Kruma. „Die Zwischenfälle an der Grenze sind nur Scharmützel.“ In dieser Bar an der Straße gehen die Kämpfer ein und aus, trinken einen heißen Tee oder ein Bier, um sogleich wieder zu verschwinden. Der aus der Schweiz gekommene Mann will seine Identität nicht preisgeben. Für das Kosovo will er alles opfern, auch sein Leben. „Meine Ausbildung habe ich unterbrochen, ich war kurz vor meiner Abschlußprüfung, jetzt ist aber Wichtigeres zu tun“, sagt der Mann.

Rund 15.000 Mann seien jetzt von der UÇK hier in der Region zusammengezogen. Dies reiche jedoch nicht aus, um eine größere Offensive zu starten, erklärt er freimütig. Auch die OSZE-Beobachter sehen nicht, wie die Kämpfer der UÇK die Grenze passieren könnten. „Die Serben haben die Grenzregion vermint, sie haben Infantrie- und Artilleriestellungen aufgebaut, sogar Flugabwehrraketen.“ Nur mit starken Bombardements der Nato-Flugzeuge und Angriffen der bald hier einsetzbaren Apache-Kampfhubschrauber könnte eine Schneise durch die serbischen Stellungen gebrochen werden. Durch diesen Korridor könnten die UÇK-Truppen dann vorrücken.

Über der Stadt ist ein Transport-Hubschrauber aufgetaucht, der auf dem Sportplatz zur Landung ansetzt. Gleich nach der Landung springen US-Soldaten aus dem Heck. Kisten und Pakete werden ausgeladen. Ist dies Nachschub für die UÇK? Munitionskisten sehen anders aus und können nicht so leicht von den Kindern weggetragen werden. Es handelt sich um humanitäre Hilfe für die Flüchtlinge. „Wenn sie Waffen liefern, dann würden sie woanders landen, und nicht inmitten dieser Stadt“, meint lächelnd ein albanischer Polizist.