: Off-Kultur bekommt vom Senat eine geklebt
■ Die geplante Novellierung des Berliner Straßengesetzes verbietet wildes Plakatieren. Veranstaltern drohen saftige Strafen. Offizielle Plakatflächen für Kleinbetriebe zu teuer
Das Bestreben des Senats, Berlin als ordentliche Hauptstadt zu präsentieren, droht kleinen Kulturveranstaltern eine wichtige Werbemöglichkeit zu nehmen. Am Dienstag hat der Senat der Novellierung des Berliner Straßengesetzes zugestimmt, die unter anderem die ordnungsstrafrechtliche Verfolgung von wildem Plakatieren möglich macht. Nach der Gesetzesvorlage, die noch vor der Sommerpause vom Abgeordnetenhaus verabschiedet werden soll, kann inoffizielles Plakatekleben nun auch geahndet werden, wenn die Plakatierer nicht auf frischer Tat ertappt werden. Neben den Kosten für die Säuberung droht den Veranstaltern, die sich dem neuen Gesetz nicht beugen, nun ein Verfahren, bei dem Ordnungsstrafen von bis zu 100.000 Mark verhängt werden können.
Die Reaktionen auf seiten der Veranstalter sind sehr unterschiedlich. Pessimistisch sehen vor allem die Veranstalter kleinerer Konzerte, Partys und Theateraufführungen dem neuen Gesetz entgegen. Für sie sind offizielle Werbeflächen nicht bezahlbar. „Die traditionelle Weise, selber im Bezirk zu plakatieren, ist bei vielen alternativen Veranstaltungen die einzige Möglichkeit zu werben“, sagte Richard Stein, Veranstaltungsorganisator im SO 36. Wegen der mangelnden finanziellen Unterstützung von offizieller Seite seien Veranstalter schon heute auf Sponsoren angewiesen, „wobei wir als eingetragener Verein diese Einnahmen dann noch mit 40 Prozent versteuern müssen“. Ähnlich kritisch äußerte sich Katrin Maßmann, Vorstandsmitglied des Tacheles: „Die Konsequenzen tragen eindeutig kleinere Veranstalter und die ohnehin gebeutelten Künstler.“ Zudem sei der Verwaltungsaufwand zu hoch, den die neue Regelung nach sich ziehe.
Die großen Firmen zeigen sich wenig betroffen. Strafen für unerlaubtes Plakatieren habe es auch in der Vergangenheit schon gegeben, so Bernd Hoffmann, Geschäftsführer der Konzertagentur „Die Veranstalter“. Wegen Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht hätten sich bisher Veranstalter gegenseitig angezeigt. Deshalb beschränke sich seine Agentur inzwischen ausschließlich auf legale Werbeflächen.
Dennnoch hält Hoffmann es für eine „einschneidende Situation“, wenn es tatsächlich zu einem radikalen Verbot von wildem Plakatieren käme. Der Wettbewerb um Werbeflächen würde zunehmen; Folge sei eine zunehmende Kommerzialisierung, wie sie beispielsweise in Form der Verpachtung von Stromkästen bereits eingetreten sei.
Letzte Hoffnung für die Veranstalter bleiben die Bezirksämter. Diese seien für die Umsetzung des neuen Gesetzes zuständig, so Petra Reetz, Sprecherin der zuständigen Bauverwaltung. So liege es in ihrem Ermessen, an bestimmten Stellen auch weiterhin Plakate zu tolerieren. „Plakatierungen können weiterhin beim Straßenland angemeldet werden – schließlich besteht ja auch ein Interesse an der kulturellen Aktivität des Bezirkes“, so Reetz. Tobias Hinsch
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen