piwik no script img

■ In & Out: Ein Szene-StreifzugDen Schicken keine Schanze

Kultig: Der echte Schanzenviertler kann sich einen Samstagmorgen ohne das portugiesische Café Transmontana am Schulterblatt gar nicht vorstellen. Nicht daß drinnen viel Platz wäre; in einem Radius von 20 bis 30 Metern um das Lädchen herum lümmeln sich Milchkaffee trinkende Menschen, besetzen Bürgersteige und Kühlerhauben, kauen an Baguettes oder Pastetchen, während andere der kleinen Tochter ihrer Freundin silbernen Glitzerlack auf die Fußnägel pinseln. Besonderer Tip: Vanille-Törtchen und Stockfisch-Knolle.

Korrekt geht's selbstredend in der fleischfreien Zone der Volxküche in der Roten Flora zu. Was zwischen „vegan“ (sehr korrekt) und „vegetarisch“ (einigermaßen korrekt) alles genießbar ist, kann montags und mittwochs ab etwa 19.30 Uhr erprobt werden. Wer zu früh kommt, der muß mitschnippeln. Ob's den Gaumen streichelt, hängt von der Crew ab – zwischen salzloser Kartoffelsuppe und köstlich-knackigen Salaten ist alles möglich. Drei Märker kostet's inklusive unbegrenztem Nachschlag.

Kühles Bier ist in der Szene-Kneipe Fritz Bauch in der Bartelsstraße immer angesagt. Denn Fritz Bauch ist verläßlich: war gut, ist gut, bleibt gut. Obwohl alternativ, kommt für die Bedienung nicht jede Bestellung erschwerend hinzu. Preise moderat, Essen gut und fix, Stimmung klasse, Leute wie immer.

Köstlich: Erlebnis-Gastronomie der schrägen Art gibt's im Asia-Imbiß in der Bartelsstraße. Nicht nur superbillig und ultralecker sind die zwischen Curry, Kokos und Soja beheimateten Gerichte. Allein schon das schnoddrige Marktgeschrei – „Nummer 4 und 76 sofort zu mir!“ – und das Geköchel vor aller Augen sind einen Imbißbesuch wert.

Gähn: Das Golem am Schulterblatt ist inzwischen der offizielle Altersruhesitz für grau gewordene KPlerInnen, die sich immer noch politisch wichtig nehmen und Heimweh nach der Vergangenheit haben. Zuweilen auch Absteige für jene, die keine andere offene Kneipe mehr gefunden haben.

Großkotzig: Studien zur Faszination des Grauens können in der Großraum-Aufreiß-Bar Pickenpack am Schulterblatt/Neuer Pferdemarkt betrieben werden. Hier finden Vor- und Nachtreffen der Rainbowtours, Linguistik-Seminarabende und auch sonst nichts Gutes statt. Hier gehen Leute hin, die sich für ungewöhnlich halten und trotz Pferdeschwanz und Lederjacke ziemlich gewöhnlich sind.

Garstig: Jedes Mal, wenn sich die Ladentür öffnet, fühlt sich die ältliche Verkäuferin im Fahrrad-Hildebrandt eigentlich gestört. Ratlose Fragen werden grundsätzlich mit „kommt ganz drauf an, was Sie wollen“ abgeschmettert. Dafür ist man in der abweisenden Pampigkeit konsequent, und die Preise können sich auch sehen lassen.

Gruselig-gediegen kommt das Freßlokal R & B in der Weidenallee daher und ist mit seinem blümeligen Nostalgie-Imitat und Wichtigtuer-Publikum so gar nicht angesagt im Viertel, bietet aber mancher, die sich in die Schanze verirrt hat, gastronomisches Exil. sim

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen