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„Ich hab' Freiraum“

Jeder, der zu ihr will, wird angebellt. Nicht von ihr, sondern von „Benny Cocker“, ihrem Cockerspaniel. Die einzig verbliebene Setzerin, pardon: Säzzerin der taz, Gabriele von Thun, bringt ihn jeden Tag mit in ihr kleines gläsernes Büro. Die inzwischen 47jährige ist eine Art Ombudsfrau der taz-Leserschaft: Gabi – wie sie genannt wird – betreut die LeserInnenbriefseite. Pro Woche trudeln je nach politischer Lage dreißig bis zweihundert Meinungsbekundungen in ihr Büro. Pi mal Daumen hat die gelernte Renogehilfin im Laufe der Jahre an die zwölftausend Briefe bekommen.

Während sich alle Redaktionen zum Setzen von Texten gern ihrer Fähigkeit bedienen, bis zu fünfzehntausend Zeichen in einer Stunde zu tippen, stoßen ihre Säzzerin-Bemerkungen („die S.in“), die sie hin und wieder mit heißer Feder in Texte hineinstrickt, vielen Redakteuren auf. Meist werden sie ohne Rücksprache hinausredigiert. „Am Anfang war ich darüber ziemlich sauer“, sagt sie, „und wenn es mir jetzt ganz doll stinkt, spreche ich die Leute an.“

Auch nach dreizehn Jahren macht Gabriele von Thun ihren Job noch gerne, auch wenn der Respekt vor den inhaltlichen Notizen aus der SäzzerInnenschaft mittlerweile verlorengegangen scheint.

So bleibt ihr zu sagen: „Ich habe relativ viel Freiraum, es wird kein Druck gemacht, und die Leute sind nett.“ Nur eines mißbehagt ihr sehr: daß sie nach dem neuen Lohnmodell die kommenden Jahre nicht mehr Geld bekommen wird. Richtiggehend ungenießbar kann sie werden, wenn mehrere Leute gleichzeitig etwas von ihr wollen. „Dann werde ich fuchtig“, sagt sie.

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