■ Rosi Rolands Bremer Geschichten: Unser Uwe heißt Detlev
Loben wollen wir den großen Dichter Gernhardt! Der uns Orientierung gibt in diesen unübersichtlichen modernen Zeiten. Berti heißt jetzt Sir Erich, aus Globisch wurde Schuller, und Raider heißt Twix. Wer soll sich noch auskennen? Der Dichter aber, was er ja soll, gab uns weiland die schöne wie wahre Orientierung mit auf den Weg: „Dich will ich loben, Häßliches, Du hast sowas Verläßliches.“
Womit wir pfeilgerade an der Martinistraße gelandet wären, beim Amtssitz des Häfensenators. Wo - ganz das Dichterwort bestätigend - ein Garant der Verläßlichkeit vor sich hinwerkelt und Reportern immer mal wieder derart Verquargeltes in die Blöcke zu diktieren versucht, daß wir Mal um Mal rat- wie fassungslos dem unheiligen Ort entfliehen müssen, um hernach beim Rapport in der Redaktionsstube die immer gleichen Sätze zu sprechen: „Weißt schon, Beckmeyer.“ Was so viel hieß, wie „Vergiß es!“ oder auch „Loch in der Zeitung!“ Was journalistisch schon unbefriedigend, aber menschlich tröstend war und ist. Sie wissen schon: die Unübersichtlichkeit.
Nun fragen Sie sich zu Recht, was dieses wirre Kramzeug soll. Deshalb: Uwe Beckmeyer, dieser sozialdemokratische Fels, der all die Jahre qua maritimer Abstammung verläßlich alle sozialdemokratischen Personalstürme eins-a überstanden hat, wird bald hinweggefegt sein. Und zwar vom langen Arm des Bürgermeisters. Und der gernhardtsche Trost wird von uns genommen.
Weil nämlich bei den Sozis wie bei den Schwatten selbstredend so kurz vor der Bürgerschaftswahl schon fleißig Personalpolitisches in den Hirnen bewegt wird. Uns Uwe ist schon so gut wie weg, und sonst: Wie gesagt, Unübersichtlichkeit.
Der Marktplatz plaudert dieses: Weil natürlich niemand weiß, wie die Wahlen ausgehen werden, aber alle Welt damit rechnet, daß das Fähnlein Scherf deutlich vor der Neumann-Truppe landet (weil das Immitsch vom Langen doch so doll ist, keiner weiß, warum), kalkulieren alle nicht mehr mit einer fifty-fifty-Postenverteilung im Senat, sondern mit 5:3 oder 4:3. Heißt in jedem Fall, daß die CDU einen abgeben muß. Wen? Zum Beispiel Bausenator Bernt Schulte, weil der eh keine besonders große Hausmacht in seiner Partei hat. Was allerdings die SPD in Verdrückung bringen würde. Weil sie keinen gescheiten Bausenator im Kofferraum hat, weil nämlich Ex-Bausenatorin Evi Lemke - so viel ist sicher - Nachfolgerin von Reinhard Metz auf dem Posten des Parlamentspräsidenten wird. Wenn nicht Horst Isola noch Ansprüche anmeldet. Der hat ja gerne einen Posten, von dem er dann total beleidigt zurücktreten kann. Ist aber eher unwahrscheinlich, daß er Evi verdrängt.
Kann aber auch sein, munkelt's bei Christens, daß ein ganz anderer CDU-Senator das Handtuch wirft: Ralf „Wyatt“ Borttscheller, weil der nämlich als Senator vielviel weniger verdient als damals mit seiner Anwaltskanzlei. Und das ist nicht schön. Auf Borttschellers Sesselchen könnte sich dann der SPD-Innenpolitiker Jens Börnsen setzen. Der hat erstens Ahnung, zweitens aber, was viel wichtiger ist: Er kommt aus Bremen Nord. Was dann wieder heißt, daß Scherf die regionalproporzgestützte Bringfriede Kahrs feuern könnte. Schon vor Monaten soll der Bürgermeister der Bildungssenatorin signalisiert haben, daß ihre Tage gezählt sind. Was dann wieder bedeutet, daß das traditionschaotische und gewerk-schaftsdominierte Bildungsressort der CDU auf's Auge gedrückt werden könnte. Bringfriede hieße dann Elisabeth Motschmann.
Was allerdings alles wieder über den Haufen geworfen werden könnte, weil ein Obersozi so gar nicht am Innen-, sondern am CDU-Finanzressort interessiert ist. Reinhard Hoffmann, noch-Chef der Senatskanzlei und kurz vor der Pensionierung, möchte auf seine alten Tage Hartmut Perschau beerben, dem wiederum Interesse an einem zusammengelegten Wirtschafts- und Häfenressort nachgesagt wird. Was Bierjupp Hattig überflüssig machen würde. Auch nicht schön. Wo uns dann doch der begnadetste aller Helge-Schneider-Stimmenimitatoren bitter fehlen würde.
Dafür aber ist quasi schon in trockenen Tüchern, wer Staatsrat für Europafragen werden soll. Sie wissen schon: Das Amt, das der gebenedeite Teilzeithumorist Günter Niederbremer (CDU) so unnachahmlich interpretiert hat. Dem soll nun ein würdiger sozialdemokratischer Nachfolger erwachsen: SPD-Chef Detlev Albers. Das ist der, nach dessen öffentlichen Äußerungen in den Redaktionsstuben gerne Sätze fallen, wie „Weißt schon, Albers!“, was so viel heißt wie „Loch in der Zeitung!“ So gesehen, in all der modernen Unübersichtlichkeit, glimmt des Dichters tröstendendes Lichtlein doch ewig und immerdar: „Dich will ich loben, Häßliches, Du hast sowas Verläßliches!“ Unser Uwe heißt Detlev. Gernhardt ist eben doch der Größte, findet unverbrüchlich Ihre Rosi Roland
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