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Die Leichtigkeit fällt schwerer

Nach dem dem 0:2 gegen Schalke 04 steckt der SC Freiburg mitten im Abstiegskampf, ist aber entschlossen, sich nicht aus dem Konzept bringen zu lassen  ■ Aus Freiburg Ulrich Fuchs

Fünf Spiele, fünf Niederlagen in Folge – spätestens seit Samstag, 17.15 Uhr, weiß beim SC Freiburg jeder, was die Stunde geschlagen hat: Der Sport-Club steckt mitten im Schlamassel. „Es ist uns nicht gelungen, ein 1:0 zu erarbeiten, um in eine bessere Spielsituation zu kommen“, bilanzierte Volker Finke anschließend. Huub Stevens, der Kollege von der Schalker Bank, teilte diese Sicht der Dinge. Aufgrund der tabellarischen Ausgangslage („Freiburg mußte gewinnen, wir nicht“) hatte der Holländer seiner Mannschaft „ein Geduldsspiel“ in den taktischen Marschplan geschrieben. Tief in der eigenen Hälfte gestaffelt, nahm sein Team den Freiburger Angriffsbemühungen den Atem. Das mit einer Beharrlichkeit, die dem Sport-Club in der zweiten Hälfte die Luft nicht nur im übertragenen Sinne ausgehen ließ. „Die Kraft hat dann gefehlt“, bestätigte Finke die Diagnose von Stevens („Wir waren zum Ende hin frischer“) – für Schalkes Coach die Konsequenz seiner Abwarte- Strategie.

Aber war's das schon? Müde Beine, die nach zwei klassischen Kontertoren duch Alpugan und Wolf noch müder wurden? Läßt sich die Niederlage von gestern wirklich auf die Frage reduzieren, „wer am Ende einer englischen Woche das erste Tor erzielt?“ (Finke). Oder gibt es nicht eine Frage, die beim Blick auf die Tabelle noch viel mehr drängt: Wie es sein kann, daß der SC Freiburg bisher die wenigsten Tore der Liga erzielt hat. Nach dem 27. Spieltag stehen auf dem Haben-Konto 27 Punkte und 27 Tore. Das mag für Unbeteiligte eine charmante Kombination sein, für Finkes Team markiert sie den Kern des Problems. Zumal es durch die Spielanlage noch potenziert wird. Die Freiburger sind ja bekanntermaßen nicht unbedingt das, was man ein defensiv orientiertes Team nennen könnte. Im Verhältnis zur Qualität der fußballerischen Vorstellungen demonstrieren die zählbaren Erfolge jedoch einen mittlerweile beängstigenden Minimalismus. „Wir spielen ja guten Fußball, alle sagen ja, daß wir guten Fußball spielen“, klagte der eingewechselte Mike Rietpietsch gestern nach dem Spiel. Guter Fußball ja – aber?

Nach der Antwort wird im Dreisamstadion nicht erst seit Samstag gefahndet. Und nicht nur gegen Schalke hat man gesehen, daß die klassische Schuldzuweisung an die vordersten Angreifer der Sache nicht gerecht wird. Bemerkenswert ist, daß auch der überdurchschnittlich großen Versammlung von Kombinationsfußballern der letzte vorbereitende Zug nicht gelingen will. „Wir konnten Schalke selten in Verlegenheit bringen“, war für Richard Golz das sichtbare Ergebnis dieses strukturellen Defizits, und der Torhüter ahnt auch, daß der zunehmende Druck die Sache nicht einfacher machen wird: „Je komplexer ein Spiel angelegt ist, desto schwieriger wird es, sich in problematischen Situationen nicht aus dem Konzept bringen zu lassen.“

Allein dieses Konzept aber sichert dem SC die Chance, in der Bundesliga zu überleben. Am Samstag ist wieder einmal deutlich geworden, wie sehr die Mannschaft darauf angewiesen ist, als Team ihr Spiel zu spielen. Immer noch funktioniert jener Freiburger Kombinationsfußball, der allenthalben so viel Bewunderung findet, nach dem Prinzip: Aus der Not eine Taktik machen. Auch weil kaum einer – von Kobiaschwili abgesehen – in der Lage ist, sich einmal alleine entscheidend durchzusetzen. Nicht an den Flügeln, nicht im Angriffszentrum und nicht im offensiven Mittelfeld, von wo weder Baya noch Weißhaupt den direkten Weg zum Tor suchten.

Trotz der Ankunft mitten im Abstiegskampf muß der SC Freiburg also weiter auf der Spur jener Leichtigkeit bleiben, die ihn im Lauf der Saison phasenweise über die eigenen Grenzen hinausgetragen hat. Gegen Schalke war man nur ein paar Schritte davon entfernt. Das hatte auch Huub Stevens nicht anders gesehen: „Die Freiburger werden da unten rauskommen – wenn sie weiter so spielen.“ Nur daß dieses Kompliment mittlerweile bald keiner mehr hören mag. Auch Ralf Kohl nicht, der nach seiner Auswechslung stinksauer war, aber selbst im Braß auf seinen Trainer den Blick für das Ganze nicht aus den Augen verlor: „Wenn wir unser Spiel ändern, bräuchten wir gar nicht mehr anzutreten.“

Schalke 04: Reck – van Hoogdalem, de Kock – Thon – Held, Tapalovic (86. Max), Müller, Alpugan, Büskens – Mulder, Pereira (65. Wolf)

Zuschauer: 22.500; Tore: 0:1 Alpugan (67.), 0:2 Wolf (85.)

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