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Davon wußten deutsche Offiziere nichts

Kleiner Einblick in die Nato-Partnerschaft und Informationspolitik

Die Informationspolitik der Bundesregierung zum Kosovo-Krieg ist eine Katastrophe. Die Informationspolitik der Presse gegenüber der Leserschaft ist es auch, inklusive taz.

Können wir nicht wenigstens erfahren, auf welche präzisen Fragen es keine Antworten gibt? Kann nicht wenigstens das Sichtbare beschrieben werden? CNN berichtet aus dem Pentagon. Die Europäer bekommen ihre spärlichen Informationen von der Nato. Woraus besteht die jugoslawische Opposition? Wie wird sie mit Nachrichten versorgt? Wie muß man sich die Zusammenarbeit innerhalb der Nato vorstellen? Wer hat welche Kompetenzen? Welche Alternativen werden von welchen Leuten entwickelt? Ist ein Oslo für Jugoslawien vorstellbar?

Zum Stichwort Informationspolitik möchte ich zwei Geschichten mit tieferem Sinn erzählen, die ich vor genau 20 Jahren bei einem Nato-Manöver im Zusammenhang mit einer Filmrecherche erlebt habe und die beide in ähnlicher und aktueller Weise etwas über Nato- Partnerschaft erzählen.

1. Journalisten konnten Wünsche äußern, welchen Teil des Manövers sie am liebsten miterleben wollten. Sie wurden dann sehr komfortabel und höflich auf die Schlachtfelder gefahren. Ich wollte damals nicht „aufs Feld“, sondern äußerte den Wunsch, beim Generalstab zugucken zu dürfen.

Ich wollte wissen, wie und was geplant wird, wie es umgesetzt wird, wollte eine Übersicht übers Ganze. Da lachte der amerikanische Presseoffizier sehr herzlich und sagte mir, daß da noch nicht einmal unser deutscher Verteidigungsminister hinkomme (damals Apel).

2. Auf dem gleichen Manöver bekamen die Journalisten über die aktuellen Gefechtssituationen (zwischen Blau und Orange) auf Wunsch „Briefings“. Je nach Zeitung und Einschätzung wurden die unterschiedlichen Leute verschieden eingestuft. Ein FAZ-Journalist bekam also mehr Informationen als beispielsweise ich. Um aus meinem geringen Status das meiste herauszuholen, nahm ich jede Möglichkeit wahr und ließ mir sowohl von den Amerikanern als auch von den Deutschen die jeweils aktuelle Situation – doppelt also – in ihren jeweiligen Zelten erklären. Oft sagten sie das gleiche – auf deutsch oder auf englisch.

Aber einmal erfuhr ich von den Amerikanern, daß sie gerade Mini- Nukes (kleine Atombomben) ins Fuldagap geschmissen hätten und der Himmel voller B-25-Bomber (nach meiner Erinnerung waren es diese Bomber) sei. Davon wußten die deutschen Offiziere, die mir eine halbe Stunde später die angeblich gleiche Situation erklärten, nichts. Ich wies sie darauf hin, daß mir die Amerikaner gerade etwas anderes erzählt hatten. Große Betroffenheit, die die deutschen Offiziere vor mir zu verbergen und zu überspielen suchten. Sie fragten mich – ganz harmlos – aus, was die Amerikaner erzählt hätten.

Andere Journalisten, die zu beiden „Partnern“ gingen, gab es nicht. Die Berichterstatter der großen Zeitungen gingen nur zu den Amerikanern, die kleinen Krauter holten sich ihre Informationen nur bei den Deutschen. Ob ich ein „special briefing“ hatte? Zufällig bekam ich später am Tag akustisch einen großen Krach zwischen zwei Amerikanern mit, in dem der eine Offizier den anderen zusammenschrie, weil dieser „fucking woman“ – mir – die Sache mit den Mini-Nukes erzählt hatte, und ihm nun die Deutschen davon in den Ohren lägen. Das zur Informationspolitik. Helke Sander

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