: Kontroverse Scheinselbständigkeit
Kommission soll Gesetz gegen Scheinselbständigkeit prüfen. Riester: „Vorerst kein Änderungsbedarf“. Krach bei der SPD und den Bündnisgrünen ■ Von Barbara Dribbusch
Berlin (taz) – Die Entscheidung, ob das Gesetz zur Bekämpfung der Scheinselbständigkeit geändert wird, ist bei einem Spitzengespräch im Kanzleramt am Mittwoch abend vertagt worden. Das Gesetz soll in den kommenden Wochen auf seine Praxistauglichkeit überprüft werden. Die Bildung einer Kommission sei vereinbart worden, die praktische Erfahrungen und Anregungen aus den Branchen sammeln solle, sagte BundesarbeitsministerWalter Riester (SPD). „Im Moment gibt es keinen Bedarf an Änderungen.“
Bundeskanzler Gerhard Schröder sieht das anders. Er hatte am Dienstag abend vor SPD-Abgeordneten auf Probleme des neuen Gesetzes hingewiesen und daraufhin empörte Zwischenrufe geerntet. Auch bei den Grünen gibt es Krach wegen des neuen Gesetzes. Bisher sieht das seit 1. Januar geltende Gesetz vor, daß bei einer Vermutung der Scheinselbständigkeit der Betroffene selbst diese Vermutung widerlegen muß. Der grüne Fraktionschef Rezzo Schlauch hatte gefordert, diese Umkehr der Beweislast wiederaufzuheben. Die grüne Abgeordnete Annelie Buntenbach sprach daraufhin von einer „politisch desorientierten Initiative“.
Riester, Schlauch und SPD-Fraktionschef Peter Struck betonten am Mittwoch abend nach Sitzungen von Spitzenpolitikern der Koalition, Ziel des Gesetzes bleibe weiterhin, den Mißbrauch im Bereich der selbständigen Arbeitsverhältnisse einzudämmen. Riester sagte, es solle dabei aber keine negativen Auswirkungen auf Existenzgründer und Selbständige geben. Die nun eingesetzte Kommission solle die Kriterien für die Selbständigkeit überprüfen. Hier könne es auch unterschiedliche Regelungen in den Branchen geben. Die Wirtschaft solle innerhalb von zwei Wochen Vorschläge vorlegen. Man wolle „nicht viele Fragebögen“ bei den Sozialversicherungsträgern, sondern Transparenz.
Das Scheinselbständigen-Gesetz zwingt Selbständige in die Sozialversicherung, wenn sie mindestens zwei von vier Kriterien erfüllen, die auf ein abhängiges Arbeitsverhältnis hindeuten. Dazu zählen etwa das Fehlen von Angestellten und die Arbeit für nur einen Auftraggeber.
Bisher bestünde aber noch keine Meldepflicht für Unternehmer, die ihnen zuarbeitenden Selbständigen bei den Sozialversicherungen anzugeben, erklärte eine Sprecherin der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) gegenüber der taz. Vielmehr würden Scheinselbständige nach wie vor im Rahmen von Betriebsprüfungen ermittelt. Die Prüfer der BfA durchforsten jedes Unternehmen mindestens im Vier-Jahres-Turnus. Im Rahmen dieser Prüfungen sollen künftig Fragebögen an die Honorarkräfte oder andere Auftragnehmer ausgegeben werden, in denen die Kriterien der Scheinselbständigkeit abgefragt werden. Treffen die Kriterien zu, müssen die Arbeitgeber rückwirkend die Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen.
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