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„Angriffsattacke“ angekündigt

■ Elektronikhändler bekämpfen sich mit Testkäufern, die gesetzeswidrigen Rabatten über drei Prozent auf der Spur sind

Eine Frau steht in einem Elektronikgeschäft am Alexanderplatz. Der Drucker sei bei der Konkurrenz billiger, sagt sie dem Verkäufer. Sofort bietet er ihr das Gerät zum gleichen Preis an und gibt ihr damit einen Rabatt von zehn Prozent. Die Frau freut sich, noch mehr aber ihr Auftraggeber, ebenfalls eine Elektronikhandelskette, hat die doch nun eine Zeugin für Gesetzesverstöße des Konkurrenten. Größere Preisrabatte werden nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AgV) zwar „alle naselang überschritten“, doch ist ein Rabatt über drei Prozent gesetzeswidrig.

Daß nun der seit zwei Jahren ruhende Kleinkrieg wiederauflebt, schließt Innova-Geschäftsführer Henry Neumann nicht aus. Nachdem der Elektronikhändler Saturn vergangenen Freitag eine einstweilige Verfügung gegen das Berliner Handelshaus mit einem Ordnungsgeld in Höhe von 500.000 Mark bei Zuwiderhandlung erwirkt hat, hat Innova neben der Berufung eine „Angriffsattacke“ angekündigt. „Zwölf eidesstattliche Erklärungen“ über gesetzwidriges Verhalten hat der Händler für Küchengeräte und Elektronik schon in der Hand.

Damals vor zwei Jahren hatten sich Unternehmen in ganz Deutschland gegenseitig Testkäufer aufgehalst, die Rabatte über drei Prozent ausgehandelt hatten. Einstweilige Verfügungen und Klagen folgten, und vor allem kleine, mittelständische Unternehmen gerieten unter Druck. In Berlin wurde schließlich eine Art Waffenstillstand geschlossen: Innova vereinbarte mit Saturn und sieben Media Märkten künftig auf rechtliche Schritte zu verzichten. Um so empörter ist Innova jetzt über das Vorgehen von Saturn.

Absurderweise sind Verstöße gegen das Rabattgesetz alles andere als eine Ausnahme. Bei der letzten Umfrage der Verbraucherschützer vor fünf Jahren erklärten über 40 Prozent der westdeutschen Befragten, sie hätten bei Käufen mehr als drei Prozent ausgehandelt. „Wir gehen davon aus, daß Rabatte über drei Prozent zugenommen haben“, sagt Helga Kuhn von der AgV, die die Abschaffung des Rabattgesetzes fordert.

In Europa ist das strikte deutsche Gesetz ein Einzelfall. Vorstöße, das Gesetz abzuschaffen, gab es bisher einige, zuletzt 1993. Massiver Protest des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE), Köln, hatte das aber erfolgreich verhindert. Denn, so begründet HDE-Geschäftsführer Armin Busacker seine Haltung, orientalische Verhältnisse brächen aus, wenn auf einmal über alles gehandelt wird, weniger eloquente, sozial schwächere Käufer hätten das Nachsehen, und letztendlich fördere es auch die Unternehmenskonzentration. Diese Einwände weist Verbraucherschützerin Kuhn zurück. Als Österreich das Rabattgesetz abschaffte, wären keinesfalls orientalische Verhältnisse ausgebrochen. Karen Wientgen

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