: Querspalte
■ Du rufst mich jetzt an!
Am Samstag abend hielt der US-Präsident eine Rede in Sachen 50 Jahre Nato und lächelte dabei, wie es seine Art ist. Eine Freundin meinte, immer wenn sie ihn sähe, dächte sie, jemand würde ihm gerade einen blasen. Das konnte man sich gut vorstellen, wenn man ihn so am Rednerpult stehen und Worte sprechen sah, deren Inhalt von unseren albernen Vorstellungen überlagert wurden.
Hans Wallner sieht man im Gegensatz zu Clinton eher selten im Fernsehen reden. Am 22. 4. wurde der CSU-Politiker aus dem niederbayrischen Deggendorf wegen 405 Sextelefonaten, die er von seinem Büro aus geführt hatte, zu einem Jahr auf Bewährung und 20.000 Mark Geldstrafe verurteilt. Während Wallner für 27.000 Mark die beliebten 0190-Nummern („Du rufst mich jetzt an!!!!“) angerufen hatte, brachte es der CSU-Parlamentarier Markus Sackmann („Ich habe eine Riesendummheit gemacht, und damit muß ich jetzt fertig werden“) nur auf mehrere 100 Mark. In den 70er und 80er Jahren pflegten CSU-Politiker betrunken Leute todzufahren. Nun machen sie Telefonsex. Das ist doch ein Fortschritt.
Auch der Schriftsteller Siegmar Faust stolperte nun über seine Sexualität. Daß er eine ehemalige KZ-Aufseherin in ihrem Antrag auf Anerkennung als Opfer des Stalinismus unterstützt hatte, was ihr eine Entschädigung von 64.350 Mark einbrachte, hatte nur dazu geführt, daß er von der Berliner Gedenkbibiliothek ab- und als sächsischer Stasi-Beauftragter berufen wurde. Vor einem halben Jahr forderte er noch zusammen mit Michel Friedman und Helmut Markwort ein „Denkmal der Deutschen Einheit“ zu errichten. Letzte Woche wurde Faust nun seines Amtes enthoben, weil er mit seinem Bürocomputer wiederholt pornographisches Material aus dem Internet auf seinen Bildschirm geholt haben soll. Daß 89 gegen ihn stimmten, gibt der doch recht tragischen deutschen „Biographie“ eine kleine dezente Pointe. Detlef Kuhlbrodt
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