: Soziale Betriebe behaupten sich am Markt
■ Pilotprojekt: Firmen mit geförderten Jobs für Arbeitslose haben gute Überlebenschancen
Hannover (taz) – Die sozialen Betriebe, bei denen eine aktive Arbeitsmarktpolitik zugunsten Langzeitarbeitsloser mit einem Existenzgründungsprogramm kombiniert wird, haben in Niedersachsen ihre Bewährungsprobe überstanden. Eine Untersuchung des Oldenburger Instituts für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe zeigt jetzt: Wirtschaftlich haben die zur Zeit 100 niedersächsischen sozialen Betriebe mit ihren 1.500 neuen Arbeitsplätzen größere Überlebenschancen als andere neugegründete Klein- oder Mittelbetriebe. Die sozialen Betriebe benötigten weniger Fördermittel als andere Arbeitsmarktinstrumente und es sei volkswirtschaftlich allemal sinnvoller, Arbeitsplätze als Arbeitslosigkeit zu finanzieren, lobte am Mittwoch Hannovers Sozialministerin Heidi Merk das Förderprogramm, das Niedersachsen 1991 als erstes Bundesland gestartet hatte.
Die 1.500 Jobs für Langzeitarbeitslose, Sozialhilfeempfänger oder auch Schwerbehinderte verteilen sich auf 100 soziale Betriebe. 31 dieser Unternehmen sind bereits aus der auf fünf Jahre begrenzten Förderung herausgewachsen, haben sich also am Markt bewährt. Eine hohe Förderung in der Gründungsphase, die über fünf Jahre allmählich abnimmt – nach diesem Prinzip werden in den sozialen Betrieben neue Arbeitsplätze geschaffen. Dabei müssen die neugegründeten Unternehmen, die zur Hälfte im produzierenden Gewerbe etwa im Handwerk, Baugewerbe oder Recyclingbereich angesiedelt sind, einen zunehmenden Teil ihrer Kosten selbst abdecken. Nach der Untersuchung kommen diese sozialen Betriebe immerhin auf eine Selbstfinanzierungsquote von 60 Prozent. Jeder Arbeitsplatz dort wird immer noch mit 27.000 Mark pro Jahr bezuschußt, doch dem steht ein Rückflug aus den sozialpflichtigen Jobs an Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen von durchschnittlich 20.000 Mark pro Jahr gegenüber. Die Nettokosten von 7.000 Mark lägen damit deutlich unter jenen 20.000 Mark, die im Schnitt für jeden Arbeitslosen an Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Sozialhilfe aufzubringen seien, sagte Merk.
Insgesamt sind in Niedersachsen seit 1991 148 soziale Betriebe gegründet worden. Davon sind 28 gänzlich gescheitert und wieder geschlossen worden. 60 Prozent der Betriebe, die länger als fünf Jahre überlebten, haben den Sprung zur wirtschaftlichen Eigenständigkeit geschafft. Für Existenzgründungen ist das eine gute Quote. Im Normalfall überstehen mehr als die Hälfte aller neugegründeten Klein- oder Mittelbetriebe die ersten fünf Jahre nicht.
Jürgen Voges
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