■ Nebensachen aus Paris: Von Lufthansa war nur die Kotztüte
„Sorry, I don't speak German.“ Gewundert hat es mich schon, daß die Stewardeß mit einem fragenden Blick reagierte, als ich die Namen der deutschen Zeitungen aufzählte, die ich haben wollte. Und mir schoß gleich ein Verdacht durch den Kopf: Die rationieren jetzt unsere Lektüre.
Aus Rücksicht auf die hinter mir wartenden Passagiere unterdrückte ich meinen aufkeimenden Protest, griff selbst in den Stapel, zog von jedem Blatt ein Exemplar heraus und ging zu meinem Sitzplatz. Der war auch anders als sonst. Er kam mir kleiner vor. Älter. Wie überhaupt die ganze Maschine nicht mehr nagelneu war. Verunsichert blickte ich durch das Bullauge nach draußen. Waren da Rostflecken auf der Tragfläche? Klapperte es irgendwo ungewöhnlich?
Die Ernstfallübung unterbrach meine Betrachtungen. Die Stewardeß, die uns die Schwimmwesten für einen etwaigen Absturz auf dem Landflug von Berlin nach Paris vorführte, tat das in einem besonders engen Gang. Die Worte dazu kamen erst auf Französisch, dann in einem ziemlich französischen Englisch über Lautsprecher. Drangvolle Enge. Französisch. Englisch. Saß ich wirklich in der richtigen Maschine?
Ein Griff zur Kotztüte zeigte mir, daß die zumindest mit „Lufthansa“ beschriftet war. Die Gesellschaft, die nach Eigenwerbung „alles fürs Fliegen“ gibt, hatte ich tatsächlich gebucht. Ich zwang mich zur Ruhe, schob den Gurt in die Schnalle und vertiefte mich in meine Zeitungen. Dreißig Flugminuten später wartete ich auf die Fachsimpelei aus dem Cockpit: „... links Kassel ... vorne Hanau ...“ Doch mein Pilot schwieg. Als dann auch noch die Stewardeß eine Bestellung vom Nachbarsitz, „einen Tomatensaft mit Pfeffer und Salz“, nicht verstand, mußte ich es einfach wissen. Ich fragte sie auf Deutsch, ob sie Deutsch könne. „Sorry, I don't speak German“, lautete ihre freundliche Antwort.
Wie sich herausstellte, sprach an Bord der Maschine kein einziges Besatzungsmitglied Deutsch. Schon oft hatte ich mich auf Flügen zwischen Deutschland und Frankreich darüber gewundert, daß bei der Lufthansa grundsätzlich niemand Französisch und bei der Air France nur ab und zu eine Stewardeß ein wenig Deutsch kann. Ich hatte das als beunruhigendes Zeichen für den Stand der deutsch-französischen Freundschaft gewertet und als Indiz für nationale Borniertheiten. Dieser Lufthansa-Flug machte keine Ausnahme. Die Stewardeß erklärte mir schließlich, daß sie gar nicht von der Lufthansa sei. Und daß die Lufthansa neuerdings bei weniger als fünfzig Passagieren nach Paris eine kleinere Maschine samt Besatzung chartere. In diesem Fall bei der französischen „Air Littoral“. „Sonst würde es viel zu teuer“, sagte sie voller Verständnis für die deutsche Fluggesellschaft. Zum Glück gebe es jetzt die Liberalisierung des Luftraums, die das Chartern möglich mache.
An einen solchen Etikettenschwindel hätte ich bei meiner sorgfältigen Auswahl von Fluggesellschaften nach Sicherheitskriterien nie gedacht. Aber jetzt ging mir ein Licht auf: Die Lufthansa hatte nicht etwa unsere Lektüre, sondern gleich das ganze Flugzeug rationiert. So sparte sie nicht nur an Kerosin, sondern profitierte auch noch von den Niedriggehältern der Chartergesellschaft.
Weitere Fragen an die Stewardeß verkniff ich mir aus Rücksicht auf meine ohnehin bei Flügen stark belasteten Nerven. Aber interessieren würde mich schon, in welcher Sprache die Stewardessen im Ernstfall Panik vermeiden oder mit etwaigen Luftpiraten verhandeln würden. Ich wüßte auch gern, nach welchen Gesetzen die Chartermaschinen gewartet werden, und welche Gesellschaft im Zweifelsfall die Entschädigung an meine Hinterbliebenen zahlen würde.
Am Ende des Flugs schenkte mir die Stewardeß zwei Schokoladenpralinés statt einem. Aber das nächste Mal werde ich trotzdem selbst nach einer Billigfluglinie suchen, statt das der Lufthansa zu überlassen. Schließe zahle ich auch nicht den Preis einer Gänseleberpastete, wenn bloß Leberwurst in der Verpackung ist. Da kann die noch so gut sein. Dorothea Hahn
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen