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Apathie vor Südafrikas Wahlen

Fünf Jahre nach den ersten freien Wahlen ist die Euphorie verschwunden. Die Lebensverhältnisse haben sich nur wenig verbessert  ■   Aus Johannesburg Kordula Doerfler

Die Bilder gingen vor fünf Jahren um die Welt. Millionen schwarzer Südafrikaner standen in kilometerlangen Schlangen an, um zum ersten Mal in ihrem Leben ihre Stimme abzugeben. Schwarz und Weiß feierten vor den Wahllokalen Versöhnung: die Apartheidzeit war mit den ersten demokratischen Wahlen 1994 endgültig zu Ende. Seither ist in Südafrika der 27. April Nationalfeiertag.

Anfang Juni dieses Jahres dürfen die Südafrikaner zum zweiten Mal wählen, doch von der Euphorie von vor fünf Jahren ist nur wenig zu spüren. Die Wählerregistrierung verlief schleppend. Vor allem unter jungen Erstwählern ist die politische Apathie groß. Zudem war bis vor kurzem unklar, wer überhaupt kandidiert, weil die Oppositionsparteien, die kürzlich umbenannte Neue Nationale Partei (NNP) und die Demokratische Partei (DP) eine Flut von Klagen gegen das Wahlgesetz eingereicht hatten.

Präsident Nelson Mandela hat den 2. Juni als Wahltag festgelegt. Der Wahlkampf ist in vollem Gange. Am 16. Juni soll Mandelas Nachfolger, der derzeitige Vizepräsident Thabo Mbeki, vereidigt werden. Daß der Afrikanische Nationalkongreß (ANC) die Wahlen gewinnen wird, steht außer Zweifel. Schon vor fünf Jahren hatte er mit 62,6 Prozent der Stimmen eine haushohe Mehrheit erzielt. Interessant wird allerdings, wie hoch die Mehrheit diesmal ausfällt.

Nach fünf Jahren ist die Demokratie so gefestigt, daß dem Wahlprozeß keine Gefahr, etwa von unzufriedenen weißen Rechtsextremen oder den Sicherheitskräften, droht. Politische Toleranz allerdings ist noch nicht selbstverständlich. Vor allem in der Krisenprovinz KwaZulu/Natal kommt es im Vorfeld der Wahlen wieder verstärkt zu Morden am politischen Gegner. Zudem tendiert der ANC zu Machtkonzentration und autokratischen Entscheidungen und möchte seine starke Stellung am liebsten durch eine Zweidrittelmehrheit absichern.

Von der buntgemischten „Regenbogennation“, die sich Mandela und der Friedensnobelpreisträger Erzbischof Desmond Tutu erträumt hatten, ist Südafrika heute noch weit entfernt. Die Spannungen zwischen den Rassen führen zwar nicht mehr zu tausendfachen Morden wie vor den ersten Wahlen, im Alltag aber sind sie allgegenwärtig und vergiften oft die Beziehungen.

Vor allem die weiße Minderheit ist Meinungsumfragen zufolge zutiefst pessimistisch über die Zukunft des Landes, obwohl ihre Privilegien bisher kaum angetastet wurden. Weiße gehören immer noch überwiegend zu den Spitzenverdienern, während unter der schwarzen Mehrheit jeder dritte arbeitslos ist. Trotzdem sehen Schwarze ihre Zukunft optimistischer und sind auch zufriedener mit dem, was der ANC bisher erreicht hat.

„Ich habe fast die Hoffung aufgegeben, eine Arbeit zu finden“, seufzt Thomas Ntenteni, „aber immerhin haben wir jetzt Strom und Wasser.“ Der 35jährige wohnt mit seiner Familie in einer Wellblechhütte in einem sogenannten Sqatter Camp, einer wilden Siedlung am Rand der Millionenmetropole Johannesburg. Sein Wahlversprechen, landesweit binnen fünf Jahren eine Million kleiner Billighäuser zu bauen, konnte der ANC nicht halten. Noch immer leben rund zehn Millionen Menschen, also ein Viertel der Bevölkerung, in Elendssiedlungen oder auf Land, das ihnen nicht gehört.

Weil die wilden Siedlungen kaum einzudämmen sind, machen nun viele Stadtverwaltungen aus der Not eine Tugend und legen dort Strom- und Wasserleitungen hin. So haben jetzt immerhin 63 Prozent aller Südafrikaner Strom – doppelt so viele wie vor fünf Jahren. Drei Millionen Menschen erhielten Zugang zu sauberem Wasser. Grund für Zufriedenheit ist das allerdings nicht: Statt neue Arbeitsplätze zu schaffen, gingen mehr als eine halbe Million verloren. Drei Viertel aller schwarzen Haushalte mit einem Erwerbstätigen müssen mit einem monatlichen Einkommen von umgerechnet 500 Mark und weniger auskommen.

Der 56jährige Wirtschaftsexperte Mbeki, der seit Jahren systematisch zum Kronprinzen aufgebaut wurde, wird deshalb den Schwerpunkt noch stärker auf die Verbesserung der Lebensverhältnisse für die schwarze Mehrheit legen – mit vermutlich erstmals schmerzhaften Schnitten auch für die Weißen. Zwar ist er nicht so populär wie Mandela, führt als Vizepräsident aber praktisch schon längst die Regierungsgeschäfte. Mandela selbst hat den Wechsel an der Spitze von langer Hand vorbereitet. Ängste über seinen geplanten Rückzug aus der Politik beschwichtigt er: „Ich bin nur ein Teil des ANC-Teams, und das wird weiter dafür sorgen, daß es mit Südafrika bergauf geht.“

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