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Der Lemmingsprung –betr.: „Blinde Entrüstung“ von Wolfgang Kraushaar, taz vom 27. 4. 99

[...] Während die Antikriegsbewegung gegen den mit menschenrechtlichen Weihen aufgewerteten Kriegseinsatz opponiert und machtkritisch argumentiert, ob nicht derselbe womöglich andere als humanitäre Ziele verfolge, verteidigen die intellektuellen Mundschenks der Bundesregierung die kriegstechnische Machtdemonstration der kapital- und militärmächtigen Nato-Staaten auf dem Balkan mit selbstgerechtem und moralischem Eifer. Der indirekt als Komplize mit dem Vertreibungsregime, als entpolitisierter Pazifist diffamierte Klaus Vack hat seit Jahren den Aufbau von Friedens- und Oppositionsgruppen im ehemaligen Jugoslawien gefördert und unterstützt, desgleichen die materielle Hilfe für Kriegswaisen aus allen Teilen des kriegszerstörten Landes organisiert. Blinde Entrüstung? Oder vielmehr tätige Anteilnahme am Schicksal der Kriegsopfer und vorausschauendes friedenspolitisches Engagement an der sozialen Basis? Politisch fahrlässig gehandelt und gleichgültig zugeschaut haben größtenteils diejenigen, die jetzt mit wortreichem und moralischem Pathos den Kampfeinsatz westlicher Soldaten gegen ein Regime fordern, das bis vor kurzem dem mächtigen Festungseuropa Stabilität auf dem Balkan versprach.

Wer über die neue Ordnung der Welt durch die kapital- und militärmächtigen Staaten, einschließlich deren Lizenz zu plündern und zu töten, nicht reden will, der wütet begrifflos gegen die verbliebene Friedensbewegung. Der Preis für diese intellektuelle Entleerung ist der Lemmingsprung in den staats- und kriegstragenden Mainstream. Dirk Vogelskamp, Komitee für Grundrechte und Demokratie

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