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Biographische Probleme Hamburg und der Krieg in Jugoslawien

■ Gegner des „Nachdenkmals“ in Groß Borstel droht anonym mit einer Bombe

Der Anrufer sagte zu Volker Strantz nur den einen Satz: „Ihr werdet euren Schützengraben nicht kriegen, sonst geht eine Bombe hoch.“ Dann legte er auf. Wer hinter der Stimme steckt, weiß der Vorsitzende des Fördervereins „Nachdenkmal Groß Borstel e.V.“ nicht. Der Verein hat nach dem Anruf am vergangenen Dienstag Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Wenn heute vormittag der Auslöser der Drohung, das „Nachdenkma“, eingeweiht wird, ist auch die Polizei vor Ort.

Der Streit begann bereits vor drei Jahren. Der Vorläufer des Fördervereins, das „Bündnis Großborstel Gegen Rechts“ wollte damals einem steinernen, kriegsverherrlichenden Denkmal, das seit 1922 am Licentiatenberg steht, etwas entgegensetzen: Ein zwei Meter tiefer „Schützengraben“, entworfen von dem Künstler Gerd Stange, soll es den BesucherInnen ermöglichen, sich in die Perspektive derer zu versetzen, die für die Kriegsbegeisterung leiden mußten.

Einige ältere Groß Borsteler Bürger sahen darin eine unerträgliche Provokation. Sie drohten schon 1996, den Graben mit Müll zuzuschütten. Bei Baubeginn vor zwei Wochen schritten sie zur Tat und erschienen mit Knüppeln bewaffnet, um das Denkmal zu verhindern. Einer der eifrigsten Anwohner, Armin E., versuchte, eine Stromleitung herunterzureißen, die für Schweißarbeiten gelegt worden war, und schüttete symbolisch einen Eimer Erde in den Graben. Die Arbeiten konnten schließlich nur unter Polizeischutz fortgesetzt werden.

„Wir haben damit gerechnet“, seufzt Michael Werner-Boelz vom Förderverein, „ich denke, diese Leute haben ein Problem mit ihrer Biograpie. Sie wollen nicht erinnert werden.“ E. ist sein direkter Nachbar. Werner-Boelz fürchtet, daß durch die Querelen um das Denkmal dessen eigentliche Aussage in Vergessenheit gerät. Die soll heute auf der Einweihung ein Kurt-Tucholsky-Gedicht vermitteln: „Ihr wart gut genug zum Fraß für Raben. Für das Grab, Kameraden, für den Graben!“

Heike Dierbach

Einweihung heute, 11 Uhr, Am Licentiatenberg

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