: Todesstrafe für Bus- oder Bahnreisende? –betr.: „Klarer Fall von Bildungslücke“, taz vom 4. 5. 99
[...] Was für eine Schnöselhaftigkeit, die Deutschen wegen einer Bildungsmisere zu beschimpfen. Ich meine, Herr Semler scheint tatsächlich durchaus gebildet, wenn er da Herrn Schiller zitiert (wie schon während seiner Schulausbildung). Schiller hat uns doch schon gelehrt, wie das mit dem Tyrannenmord ist, und Herr Semler hat das wohl nicht vergessen. Ein braver Schüler. [...]
Der Krieg, der jetzt geführt wird, wird uns als Krieg gegen den bösen Herrn Miloevic verkauft (da gibt es noch Bin Laden und Saddam im Ausverkauf). Und ist es nicht seltsam, wenn Bomben sorgfältig um Herrn Miloevic herum verstreut werden? Bomben auf Fabriken, Sendestationen, Elektrizitätswerke und Brücken. Die zitierte Todesstrafe ereilt nicht unseren bösen Feind, sondern mehr oder weniger beiläufig und ohne Rechtfertigung Menschen, die gerade in einem Bus oder in einem Zug sitzen (im Fall Irak hat mittlerweile etwa eine Million Menschen die Todesstrafe aufgrund der Sanktionen ereilt, nur nicht den bösen Saddam). Und die Ermordung Miloevic' wäre sicher die geringste Verletzung internationalen Rechts gewesen, die wir die letzten Wochen erfahren haben.
Die Interessen der Nato und der USA in dem Krieg liegen bestimmt nicht darin, Herrn Miloevic zu töten. Ich glaube, er ist eher ein willkommenes Marketingkonzept und der letzte, der sich einer Todesgefahr ausgesetzt sieht. Doch das ist etwas, was wir besser nicht verstehen sollten, und die Medien tun das Ihrige, um das zu verhindern. [...] Patrick Heeren, London
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