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Ende des Teufelskreises möglich

■  Studie des Öko-Instituts: Ausstieg aus der Plutoniumwirtschaft ist machbar. Endlagerung des hochgiftigen Stoffes wäre demnach billiger als die aktuelle Wiederaufbereitung

Hamburg (taz) – Der Ausstieg aus der Plutoniumwirtschaft ist machbar. Diesen Schluß legt ein Gutachten des Öko-Instituts Darmstadt im Auftrag des Landes Hamburg nahe, das gestern vorgestellt wurde. Nach Ansicht des grünen Hamburger Umweltsenators Alexander Porschke könnte eine Endlagerung des äußerst giftigen und atomwaffentauglichen Stoffs „sogar kostgengünstiger“ sein als seine bisher übliche Verarbeitung zu Mischoxid-(MOX)-Brennelementen. Das Know-how sei vorhanden; bei der Endlagerung und beim Schutz vor Mißbrauch träten keine unbekannten Probleme auf. Der Kreislauf, bei dem durch den Einsatz der MOX-Brennelemente in Atomkraftwerken letztlich neues Plutonium erzeugt wird, wäre unterbrochen.

Das gefährliche abgetrennte Plutonium fällt bei der Wiederaufarbeitung ausgedienter Brennelemente von Atomkraftwerken an. 26 bis 29 Tonnen davon aus Deutschland warten derzeit in den Wiederaufarbeitungsanlagen von La Hague und Sellafield auf Entsorgung. Sollten die derzeit bestehenden Verträge erfüllt werden, kämen weitere 30 bis 35 Tonnen hinzu. Bereits ein Millionstel Gramm Plutonium gilt als krebserregend.

Um dieses Plutonium untauglich für die Waffenproduktion zu machen, ist es bisher in MOX-Brennelemente eingearbeitet und zwischen herkömmlichen Uran-Brennelementen in AKWs verbraucht worden. Dabei verringert sich der Plutoniumanteil zwar nur unwesentlich; weil die abgebrannten MOX-Brennelemente jedoch stark radioaktiv strahlen, sind sie für Waffenschieber unbrauchbar.

Der Nachteil dieser Methode: Sie benötigt laufende Atomkraftwerke, die neuen Brennstoffmüll und entsprechenden Wiederaufarbeitungsdruck erzeugen, so daß am Ende neues waffentaugliches Plutonium sicher entsorgt werden muß. Ein Teufelskreis, den der Hamburger Umweltsenator mit Hilfe des Gutachtens zu durchbrechen hofft.

Denn die untersuchten Alternativen „Verglasung“ und „Einbau in MOX-Lagerelemente“ sind laut Gutachten ähnlich teuer wie die Produktion von MOX-Brennelementen. Im einen Fall wird das Plutonium zusammen mit strahlendem Müll in Glas eingeschmolzen. Im anderen Fall wird es zu MOX-Lagerelementen verarbeitet, die mit stark strahlenden abgebrannten Uran-Brennelementen vermischt werden. Das Öko-Institut favorisiert die letztgenannte Lösung.

Wirtschaftlich interessant für die Kraftwerksbetreiber könnten nach Ansicht Porschkes beide Varianten durch das Steuerentlastungsgesetz der Bundesregierung werden: Bei Fortsetzung der MOX-Brennelemente-Produktion müßten die Rückstellungen der Konzerne für die Atommüllentsorgung aufgelöst und versteuert werden. Wird die neue Endlagertechnik eingeführt, könnten neue steuerfreie Rücklagen gebildet werden.

Weil es zeigt, daß die Endlagerung des Plutoniums attraktiv sein kann, ist das Gutachten des Öko-Instituts für den Hamburger Senator denn auch „eine Waffe im Kampf um Restlaufzeiten“ der Atomkraftwerke. Die Konzerne hatten bisher argumentiert, sie brauchten laufende Atomkraftwerke, um die MOX-Elemente verbrennen zu können und damit das Plutonium waffenuntauglich zu machen. Die Expertise des Öko-Instituts, so Porschke, sei an Bundesumweltminister Jürgen Trittin weitergeleitet worden. „Wir glauben, daß mit diesem Gutachten eine weitere Hürde in Richtung Atomausstieg übersprungen werden kann.“ Gernot Knödler

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