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Die hunderttausend Geschehen

Nach dem 63:58-Sieg im umkämpften dritten Match der Finalserie kann Alba Berlin heute bei den Baskets Bonn erneut deutscher Basketball-Meister werden  ■   Aus Berlin Matti Lieske

Es handle sich um junge Spieler, sagt Svetislav Pesic, Trainer von Alba Berlin, über die Angehörigen seines Teams, „und sie müssen etwas erleben, wovon sie lernen können“. Eines haben sie gewiß gelernt in den ersten drei Spielen des Meisterschaftsfinales gegen Baskets Bonn, das sie vor dem heutigen vierten Match in der Bonner Hardtberghalle mit 2:1 anführen: Sie stehen einem Kontrahenten gegenüber, der niemals aufgibt. „Es ist ein typisches Finale“, sagt Pesic und fügt erklärend hinzu: „Im letzten Jahr war es kein typisches Finale.“ Da seien die Spieler des SSV Ulm bereits zum dritten Match mit T-Shirts gekommen, auf denen „Vizemeister“ stand. Die Bonner hingegen, so der Alba-Coach, „kommen, um zu gewinnen“.

Eine derartige Einstellung erfüllt Svetislav Pesic mit Genugtuung. Der 49jährige liebt es, wenn es hart auf hart geht, wenn es in der Halle brodelt und tobt, wenn auf dem Platz die Emotionen freien Auslauf genießen und sein eigener Adrenalinpegel in den glühendroten Bereich schwappt. Am meisten liebt er es aber, wenn seine Mannschaft ein solches Spiel am Ende gewonnen hat. So wie am Samstag in der mit 8.500 Zuschauern erstmals in dieser Bundesligasaison ausverkauften Max-Schmeling-Halle. 63:58 hieß das bescheiden anmutende Resultat, das die Intensität, Klasse und Dramatik der Partie nur unzureichend widerspiegelt.

Pesic hatte sich vor der Endspielserie offen darüber gefreut, daß die Bonner Mannschaft seines Freundes Bruno Soce der Gegner sein würde, ein abwehrstarkes Team mit einer großen, begeisterten Fanschar, die packende Spiele in vollen Hallen garantieren würde. Um so enttäuschender war es, als beim ersten Aufeinandertreffen in Berlin vor einer Woche nur etwas mehr als 5.000 Zuschauer den klaren Sieg der Gastgeber sahen. Zu überlegen hatte Alba in den letzten Monaten die nationale Konkurrenz beherrscht, als daß echte Playoff-Begeisterung hätte aufkommen können. Erst der Sieg der Bonner am Mittwoch in eigener Halle mobilisierte die Fans beider Seiten, denn damit war klar, daß die Rheinländer durchaus in der Lage sind, dem Meister Paroli zu bieten und ihm eventuell sogar Titel und Europaligaplatz, auf den die Bonner gar nicht so scharf sind, abzujagen.

In den Best-of-seven-Serien der NBA-Playoffs gilt traditionell die fünfte Partie als jene mit der größten vorentscheidenden Bedeutung, in einer Best-of-five-Serie wie bei der deutschen Meisterschaft ist es somit die dritte. Entsprechend war die Atmosphäre auf dem Platz. „Hektik und Nervosität“ (Pesic) bestimmten das Spielgeschehen, aggressive Defense sorgte für Steals, Ballverluste, Fehlwürfe, und die Fouls folgten schneller, als die Schiedsrichter gucken konnten, so daß sie die meisten einfach ignorierten.

Erfolgreiche Korbwürfe waren eine Seltenheit, was vor allem Bonns Topscorer Hurl Beechum zu spüren bekam. Der Dreipunktwurfrekordler der Bundesliga, in Spiel zwei noch Matchwinner mit 23 Punkten, schaffte insgesamt nur zwei Zähler – diese durch Freiwürfe.

„Hunderttausend Geschehen“ erblickte Svetislav Pesic in einem Spiel, bei dem es lange so aussah, als würden es die Bonner gewinnen. Diese steckten sogar weg, daß sie nach der Pause mehr als neun Minuten lang keinen Punkt erzielen konnten und ihre 35:32-Halbzeitführung in einen 35:47-Rückstand verwandelt wurde und daß ihr herausragender Spielmacher Derrick Phelps nach einem unglücklichen Ausrutscher nur noch humpelnd den Ball verteilen konnte. Eine 10:0-Serie brachte die Bonner zur Freude von tausend mitgereisten Fans wieder heran, am Ende jedoch gab wie so oft die größere Tiefe des Berliner Teams den Ausschlag. „Nachlassende Kraft“ hatte Albas Bogojevic bei den Bonnern ausgemacht, deren Leistungsträger Beechum, Tomic, Hutchinson und sogar Phelps alle weit über 30 Minuten spielten. „In einem solchen Spiel gewinnt die Mannschaft, die am Ende mehr Ruhe hat“, weiß Coach Pesic. Diese Ruhe hatte vor allem Spielmacher Kiwane Garris, der mit vier verwandelten Freiwürfen das Schicksal der Bonner besiegelte.

Das 2:1 ist eine glänzende Ausgangsposition für den Titelverteidiger, aber nicht ohne Tücke. „Wir fahren nach Bonn, um zu gewinnen“, sagt Center Patrick Femerling, und das ist wohl auch nötig, denn ein fünftes Match am Mittwoch, das hat das Spiel am Samstag deutlich gezeigt, wäre eine völlig offene Angelegenheit. Mit T-Shirts, auf denen „Vizemeister“ steht, werden die Spieler von Bruno Soce niemals auflaufen.

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