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■ Die neue Weltordnung

Das Internet verbindet die Welt, und die tickt plötzlich falsch. Ihre Uhren, ein Relikt aus alten Zeiten, kennen nämlich keine Globalisierung. Nach wie vor gilt, wenn dort Nacht ist, ist hier Tag, und wenn hier 17 Uhr ist, ist woanders gerade mal 2 Uhr. Wenn Mr. Sunshine arbeitet, vergnügt sich Lady Moon in den Bars.

Im Gegensatz zur Telefonromanze, wo einer am anderen Ende der Welt wenigstens da oder nicht da ist, macht es bei der Internetliebe keinen Spaß, auf die Obszönität von eben erst morgen eine Replik zu kriegen. Denn wenn sich zwei im Internet treffen wollen, müssen sie sich umständlich verabreden, Uhrzeiten umrechnen, und es ist alles viel umständlicher, als mal kurz auf ein Bier um die Ecke zu gehen. Das ist der eigentliche Grund, weshalb man so oft von heißen Internetliebschaften zwischen Güterslohern und Bad Vilbelerinnen hört, jedoch nur selten von wilden Flirts zwischen einem Herrn aus New Orleans und einer Dame aus Strausberg.

Dieses Problems hat sich nun die rührige Schweiz angenommen. Und hat, wie in Inseraten in der Livestylepresse zu lesen ist, mit der „Swatch Beat“ eine Lösung gefunden: „eine neue globale Zeitrechung von Swatch“. Der Weltfrieden rückt somit sicherlich ein Stück näher, und Dr. Motte, der Vater der Love Parade, wippt begeistert. Denn schlau, wie sie sind, haben die eidgenössischen Uhrenprofis der alten Schweizer – oder eben der alten deutschen – Zeit eine internationale zugesellt, die man in Beats rechnet.

„Ein Beat dauert eine Minute und 26,4 Sekunden“, verkünden die Erfinder. Und weltweit habe der Tag tausend Beats. Was heißt, daß er in Peru genauso, sagen wir mal, zweihundertsiebenundsechzig Beats hat wie in Kasachstan. Und auf der Straße auf die Uhrzeit angesprochen, fragt man neuerdings erst mal zurück: „In Stunden oder in Beats?“

Die Krux ist dabei allerdings die, daß Kasachen wie Peruaner von ihrem neuen Glück noch gar nichts wissen. Außer sie haben eine neue Swatch Beat. Auch New Orleans und Strausberg finden nur zueinander, wenn sie einkaufen waren. Und was, wenn vorher ein Konkurrent auf dem Uhrenmarkt verlangt, die Welteinheitszeit in, hm, sagen wir, Schlägen zu rechnen? Oder gar in Metern? Es zeigt sich: Manche Weltordnungen müssen doch noch von der Politik geregelt werden. Jörg Sundermeier

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