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Und Stoiber wird Kanzler

■ Beim morgigen Bundeskriegsparteitag der Grünen wird alles platzen

Stoiber. Keine Frage: Edmund Stoiber wird der neue Bundeskanzler. Oder wenigstens Kanzlerkandidat. Wer sonst soll die Karre aus dem Dreck ziehen, wenn sich beim Bundeskriegsparteitag der Grünen wider Erwarten die Kriegsgegner durchsetzen und deswegen die Koalition platzt? Dann gibt es Neuwahlen, und dann werden vielleicht auch die letzten aufrechten Sozi- und Grünenwähler begreifen, daß diese Regierung in sieben Monaten mehr Unheil angerichtet hat als ihre Vorgänger in all den Jahren zuvor. Oskar Lafontaine weiß das schon lange und hat sich deshalb leise verkrümelt.

So traurig es ist: Stoiber, Schäuble, Rühe und wie sie alle heißen – das sind wenigstens Profis, die ihr Geschäft verstehen. Nur stehen die leider auf der anderen Seite. Bei den Sozis und ihren grünen Partnern gibt es kaum Profis. Alle wissen das; gewählt wurden sie trotzdem – weil alles anders werden sollte und die Sozis wieder mal „das kleinere Übel“ waren.

So kam es, daß ein macht- und mediengeiler Grinsemann Bundeskriegskanzler wurde, ein in grauer Vorzeit aufrechter Linker den vermeintlich aufrechten Gang erlernte und zum Bundesaußenkriegsminister mutierte – und ein gesichtsloser Radsportkommentator mit den Aufgaben eines Bundeskriegsministers überfordert ist. Das Trio ist nicht allein, jedoch nimmt das in all dem Kriegstaumel kaum noch jemand wahr. Der Nato-Krieg im Kosovo kaschiert die Probleme hierzulande, deshalb paßt er gut in den Kram.

Der Bundesarbeitskriegsminister z.B. sieht kaum Handlungsbedarf bei der Modifizierung oder besser: Abschaffung der gesetzlichen Neuregelung der 630-Mark-Jobs und der „scheinselbständigen“ Tätigkeiten. Letzteres ist besonders perfide, denn hier drehen die Sozigrünen per Gesetz die Beweislast einfach um: Jeder, der nicht irgendwo eine Lohnsteuerkarte abgegeben hat (das sind immerhin über 6 Millionen), muß die staatliche Vermutung des „scheinselbständigen“ Broterwerbs selbst widerlegen. Wer z. B. keine Mitarbeiter hat oder nur für einen Auftraggeber arbeitet, hat schlechte Karten – selbst wenn schon ein paar Tausender in die junge Firma investiert wurden. Existenzgründungen werden damit im Keim erstickt, und unterm Strich ist das viel schlimmer als jede als „Reform“ verkaufte Teuerung in der Kranken- und Rentenversicherung der letzten Regierung.

Doch auch die Bundesgesundheitskriegsministerin hat ihr Reförmchen bereits gebastelt. Ob sie damit durchkommt, ist eher unwahrscheinlich: Die übermächtige Pharma-, Krankenkassen- und Ärztemafia mag es nicht. So richtig nervig ist es für die Patienten; die sollen stets zum Hausarzt, bevor sie einen Facharzt konsultieren. Vielleicht sind sie ja nur scheinkrank. Auch von den Träumen des Bundesumweltkriegsministers ist nicht viel übrig. Beiläufig erfuhren wir, daß es vorerst nichts wird mit dem Ausstieg aus der Atomenergie. Und demnächst stehen auch wieder Castor-Transporte an. Mal sehen, wie er sich da rauswindet – dabei ist er doch so drollig, wenn er wütend wird.

Der einzige, der offenbar seinen Job im Griff hat, ist der Bundesinnenkriegsminister: Ein aufrechter Rechtsaußen, nicht besser oder schlechter als sein Vorgänger. Immerhin konnte er durchsetzen, daß noch mal ein paar tausend zusätzliche Kosovo-Flüchtlinge ins Land dürfen. Von den Wahlversprechen redet niemand mehr – vor allem nicht davon, daß es ohne UN-Mandat keine Bundeswehreinsätze geben sollte. Ein paar Wahlgeschenke am Anfang – und der Rest? Was von der Oppositionsbank ganz vernünftig klang, scheitert in der Praxis. Am Unvermögen.

Irgendwann rächt sich das. Dann wird das Volk wieder nach dem starken Mann rufen. Und so wie die Dinge liegen, heißt der Edmund Stoiber. Wetten?

Dieter Grönling

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