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Unterm Strich

Das, was man hierzulande flott „Berliner Republik“ heißt, findet der polnische Schriftsteller Andrzej Szczypiorski schon okay. Er sieht das geeinte Deutschland als eine „Lokomotive bei der Integration Europas“. In einem dpa-Gespräch belobigte der Autor von „Die schöne Frau Seidenman“ die deutsche Rolle bei Polens Beitritt zur Nato. Wenn die Bundesrepublik endgültig ein neues Kapitel ihrer Geschichte beginnen wolle, müsse sie entsprechend ihrer neuen, gewichtigeren Rolle in der Welt handeln. Es dürfe dann bei Einsätzen im Rahmen der Nato oder der Vereinten Nationen keine Ausflüchte mehr geben: „Dann läßt sich nicht mehr sagen, wir können da nicht hingehen, weil wir im Zweiten Weltkrieg dort waren.“ Die rot-grüne Koalition deutete er als ein Symbol der Neuorientierung, des „pragmatischen Denkens für die europäische Zukunft“. „Schluß mit der Geschichte – wir müssen unsere letzten Rechnungen bezahlen und kehren dann nicht mehr dahin zurück“, beschrieb Szczypiorski diesen Wandel. Darin liege „eine große Chance“. Rückblickend auf die Nachkriegszeit bezeichnete der Autor das Aufbegehren der „68er-Generation“ als Reifeprüfung für die westdeutsche Demokratie. „Davor war die Demokratie der Bundesrepublik ein Geschenk der USA, ein Erziehungs- und Zwangsprozeß, in dem neue Strukturen installiert wurden.“ Seit der Revolte der Jungen gegen das Alte, die zugleich die Auseinandersetzung mit der Nazi-Vergangenheit war, könne von einer „authentischen deutschen Demokratie“ gesprochen werden. „Diese deutsche Suche nach Perfektion, der Glaube an Vollkommenheit, hat in Deutschland zu schönen und zu schrecklichen Ergebnissen geführt“, meinte Szczypiorski.

In eben dieser bewähren sich nach Ansicht von Günter Grass gerade die Amtsinhaber Fischer und Scharping. Für ihre Haltung und Diensteinstellung fand Grass sogar den Ausdruck von Bewunderung. „Weitermachen“, lautet das Kommando bei der Bundeswehr.

Das gilt auch für die Protestmassen. Etwa 100 in Mecklenburg-Vorpommern lebende Künstler haben mit ihren Unterschriften das sofortige Ende aller Kriegshandlungen in Jugoslawien gefordert. Die Erklärung soll dem Petitionsausschuß des Bundestages vorgelegt werden.

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