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„Berlin akzeptiert nur Europaliga“

Nach dem Gewinn seines „schwersten“ Titels richtet nicht nur Basketballmeister Albas Trainer Pesic die Augen sofort auf Europa – sondern auch Vize Bonn  ■   Von Matti Lieske

Berlin (taz) – Unser erstes sportliches Ziel sind die Final Four in der Europaliga“, sagte Coach Svetislav Pesic, nachdem Alba Berlin zum drittenmal in Folge deutscher Basketballmeister geworden war. Es klang selbstverständlicher, als es in Wirklichkeit war. Schließlich hatte der Titelverteidiger in der Endspielserie gegen Baskets Bonn, die allgemein als bestes Finale seit vielen, vielen Jahren gelobt wurde, fast bis zum Schluß um Titel und damit Europaliga-Qualifikation zittern müssen. Auch das 91:68 im entscheidenden fünfte Match in der mit 8.500 Zuschauern prall gefüllten Berliner Max-Schmeling-Halle stand lange auf Messers Schneide.

Erst als Alba-Spielmacher Kiwane Garris zu Beginn der zweiten Halbzeit plötzlich so entfesselt über das Feld tobte, als sei ein kleiner Bonsai-Michael-Jordan in ihn gefahren, standen die Bonner endgültig auf verlorenem Posten. Wichtige Ballgewinne in der Abwehr, spektakuläre Korbleger, zielsichere Distanzwürfe, eine hundertprozentige Trefferquote nach der Pause, kluge Assists, 30 Punkte am Ende, davon 21 in Halbzeit zwei – Garris entschied die Partie praktisch allein.

Der Auftritt des 1,85 m großen Point Guard aus Chicago war in gewisser Weise symptomatisch für die gesamte Saison von Alba Berlin. Mit der Empfehlung einiger NBA-Minuten bei den Denver Nuggets als kurzfristiger Ersatz für den flüchtigen Russen Vassili Karassew nach Berlin gekommen, hatte Garris zunächst beträchtliche Schwierigkeiten, sich an die Mannschaft, die europäische Spielweise und seine Rolle zu gewöhnen. Am Ende aber wurde doch noch alles gut.

„Das war meine schwerste Saison bei Alba“, sagte Svetislav Pesic zum Ende einer Spielzeit, die schließlich mit Meisterschaft, Pokal und Klassenerhalt in der Europaliga den Umständen entsprechend optimal geendet hatte.

Diese Meisterschaft mit dem nach den Abgängen von Harnisch, Welp, Karassew und Arigbabu nicht ganz freiwillig neu formierten, jungen Team sei wertvoller, als wenn er sie mit der Mannschaft vergangener Jahre geholt hätte.

„Eine Werbung für den Basketball“, so der allgemeine Tenor, sei das Finale gewesen, was zu einem guten Teil an den Bonnern lag, die der Mannschaft mit dem weitaus höchsten Etat der Bundesliga – runde 10 Millionen Mark – bis zum Ende zusetzten und ihren 1.600 mitgereisten Fans eine große Show lieferten. „Basketball ist der Gewinner“, sagte auch Bonns Trainer Bruno Soce, der aber dennoch deutlich machte, welche Lücke zwischen den beiden Finalisten klafft.

Während der Alba-Coach frohgemut internationale Meriten anpeilte, appellierte Soce indirekt an Sponsor Telekom, nächste Saison doch bitte etwas mehr Geld lockerzumachen. „Mein Ziel ist auch Final Four“, sagte er leicht sarkastisch, „aber mit dem Geld, das wir haben – keine Chance.“ Jedes Jahr müsse er ein neues Team aufbauen, weil die Stars, die er herausbringe, im Handumdrehen von finanzkräftigeren Klubs abgeworben würden. „Eine Sisyphusarbeit“, klagte Soce.

In seinem alten Freund Svetislav Pesic findet er einen bereitwilligen Mitstreiter für eine bessere Zukunft des deutschen Basketballs. „Das Ziel muß sein, daß man 4.000, 5.000, 6.000 Zuschauer hat und das Fernsehen da ist“, fordert der Alba-Trainer von den eher provinziell orientierten Verantwortlichen der Basketball-Bundesliga (BBL). Und vor allem: „Das Ziel muß Europa sein.“ Ab der Saison 2000/2001 bekommt die Europaliga neue Strukturen und wird durch zentrale Vermarktung analog zur Champions League der Fußballer auch sehr lukrativ.

Einen Platz hat Deutschland dann sicher, doch ein zweiter müsse dringend her. Dieser kann nur über Erfolge der sechs Bundesliga-Vertreter im Saporta-Cup und im Korac-Cup erlangt werden. Die stiefmütterliche Behandlung der europäischen Wettbewerbe durch die Funktionäre der BBL ist Pesic seit langem ein Dorn im Auge. Stundenlang kann er sich darüber ereifern, wie Alba nach einem harten Europaligamatch am Donnerstag abend bei Olympiakos Piräus schon am Samstag mittag zum Bundesliga-Spitzenspiel in Trier anzutreten hatte. „Die BBL darf nicht auf die Interessen von Oberelchingen, Braunschweig und Brandt Hagen gucken“, forderte der 49jährige und nutzte die Gelegenheit, noch einmal auf die geplante Aufstockung der Bundesliga zu schimpfen, die den Terminkalender weiter verengt und die internationale Dimension komplett ignoriert.

Während sich die Spieler mit Sekt übergossen und dicke Zigarren schmauchten, war Pesic die Erleichterung darüber, daß Albas Präsenz in der Europaliga mit dem Gewinn des Meistertitels für ein weiteres Jahr gesichert ist, deutlich anzumerken.

Die beunruhigende Vorstellung, mit niedrigerem Etat im zweitrangigen Saporta-Cup antreten zu müssen, war von den Verantwortlichen zwar stets heruntergespielt worden, deshalb aber nicht minder erschreckend für Pesic. „Berlin ist eine Stadt, die nur Europaliga akzeptiert“, weiß der Coach, für den es nun darum geht, die Mannschaft der nächsten Saison zu formen.

Die „Basis für die Zukunft“ sei gelegt, doch viele Verträge laufen aus, darunter auch die von Henrik Rödl und Wendell Alexis. „Wir werden den Spielern das Alba-Basketballprodukt anbieten“, erklärte der Coach, und die Leute aussuchen, „die zu unserem Basketballprodukt passen“. Um die ehrgeizigen Ziele, die man sich gesetzt habe, zu erreichen, brauche man jedenfalls „wirklich sehr gute Spieler“. Erfreulicherweise gebe es etliche Spitzenkräfte, die bereits von sich aus Interesse an einem Engagement bei Alba Berlin bekundet hätten. „Das zeigt, daß wir leben“, so Pesic.

Nicht verpflichten will er Bonns Steven Hutchinson, den er nach dem Finale als besten Spieler der Bundesliga-Saison bezeichnet hatte – sehr zum Schrecken von Bruno Soce, der seinen wertvollsten Mann schon im Alba-Trikot sah. „Wir brauchen auch im nächsten Jahr noch Gegner“, beruhigte Svetislav Pesic leicht gönnerhaft seinen Kollegen, der sich darob eines säuerlichen Lächelns nicht erwehren konnte. Niemand hat es gern, wenn ihm seine Grenzen derart deutlich unter die Nase gerieben werden.

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