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Eskalation im Kongo-Krieg

■ Ein Luftangriff auf Städte im Rebellengebiet fordert 49 Menschenleben. Hoffnungen auf friedliche Lösung schwinden

Berlin (taz) – In afrikanischen Kriegen sind Luftangriffe eher selten – aber wenn sie vorkommen, sind die Folgen erheblich. Die Bombardierung der von Kongos Rebellen gehaltenen Städte Goma und Uvira im Osten der Demokratischen Republik Kongo am Dienstag abend hat 49 Tote und zahlreiche Verletzte gefordert – und Hoffnungen auf eine diplomatische Lösung des neun Monate alten Konflikts vorerst zunichte gemacht.

Die Hälfte der Bombenopfer waren Kinder. Im Einsatz war ein russisches Antonov-Flugzeug, offenbar im Dienst von Kabilas Regierungstruppen. Solche Flugzeuge sind eigentlich zum Bombenabwerfen ungeeignet, da sie über keine Zielgenauigkeit verfügen, und werden in dieser Region sonst nur von Sudans Militär im Kampf gegen die Zivilbevölkerung des Südsudan eingesetzt.

„Wir bombardierten militärische Ziele, einschließlich des Radios“, behauptete gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters der Vizechef von Kabilas Armee, Francis Olenga. „Keine Zivilisten wurden getroffen. Es war eine Warnung, daß wir unsere Position verhärten. Wir wollen die Nachschublinien des Feindes abschneiden.“ Es wurden aber nur Wohnviertel getroffen. In Goma starben 46 Menschen, in Uvira 3. „Sie zielen auf Zivilisten“, sagte Rebellenkommandant Emile Ilunga. „Dies ist eine Verzweiflungstat von jemand, der den Krieg verliert.“

Ernest Wamba dia Wamba, Präsident der Rebellenbewegung „Kongolesische Sammlung für Demokratie“ (RCD), warnte, die Luftangriffe würden moderate Elemente in seiner Bewegung radikalisieren, die bisher eine friedliche Lösung suchten. Erst vor einem Monat hatte Kongos Präsident Kabila in Libyen ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet, zusammen mit den Präsidenten von Uganda, das die Rebellen unterstützt, und des Tschad, der Kabila unterstützt. Uganda denkt seitdem laut über einen Abzug seiner Truppen aus dem Kongo nach, während Tschad seinen Rückzug Ende April offiziell verkündete.

Während in Goma die Bomben fielen, begrüßte in New York der UN-Sicherheitsrat das Abkommen und forderte einen sofortigen tatsächlichen Waffenstillstand. Davon ist jetzt im Land keine Rede mehr.

Tschads Rückzug hat Kabila geschwächt. Da die Truppen aus dem Tschad zum Schutz des nordwestlichen Landesteils gegen die aus Kisangani und Lisala vorrükkenden Rebellen und ugandischen Militäreinheiten zuständig waren, stehen Kabilas Gegnern nun weite Landstriche offen – bis hin zur Stadt Mbandaka, die von den Rebellen als prioritäres Kriegsziel genannt worden ist. Auch im Süden des Landes sind die Rebellen auf dem Vormarsch. Die RCD verkündete gestern die Einnahme von Kabinda, 120 Kilometer östlich der Stadt Mbuji-Mayi, die zentral für Kongos Diamantenförderung ist, neben Mbandaka das zweite wichtige Ziel der Rebellen. Ferner nahmen die Rebellen vor kurzem Kabilas Geburtsort Manono ein.

Kurz vor dem zweiten Jahrestag seiner Machtergreifung am 17. Mai 1997 – damals noch mit Unterstützung Ruandas und Ugandas – steht Kabila so schwach da wie noch nie. Seine letzte politische Initiative war die Ausrufung eines „nationalen Dialogs“ zwischen allen politischen Kräften des Kongos – aber weder die Rebellen noch die Opposition in Kinshasa wollen daran teilnehmen. Ansonsten ist Kabila dabei, innenpolitische Verwirrung zu stiften: Am 20. April erklärte er seine ehemalige Guerilla-Allianz „Allianz Demokratischer Kräfte zur Befreiung des Kongo“ (AFDL) für aufgelöst und verkündete, Kongo werde in Zukunft von „Volksmachtkomitees“ regiert – eine an Libyen erinnernde Einrichtung. Den Rebellen wird das vermutlich nicht imponieren. Der radikale Flügel der RCD hat bereits die Losung ausgegeben, den nächsten Nationalfeiertag am 30. Juni in Kinshasa zu feiern. Dominic Johnson

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