: Unterm Strich
Klarer sprechen, richtig lesen. Jürgen Habermas hat sich in der Süddeutschen Zeitung gegen die sprachkritischen Vorwürfe des Schriftstellers Peter Handke im Zusammenhang mit dem Kosovo-Konflikt gewehrt und dem zürnenden Dichter mangelhafte „Gewissenhaftigkeit des Lesens“ vorgeworfen. Handke hatte Habermas mit dem Satz gescholten: „Dieser Denker hat mit zwei Adverbien sein ganzes Denkleben verfehlt.“ Habermas hält Handke jetzt entgegen, daß er die beanstandeten Stellen falsch verstanden und eine empirische mit einer semantischen Frage verwechselt habe. Habermas befand ferner, beim Streit um den Kosovo-Konflikt sollten alle „einander zugestehen, daß sich jeder hin- und hergerissen“ fühle. „Ich verstehe nicht, daß man sich angesichts der begründeten Ambivalenz einer einseitigen Parteinahme so sicher sein kann wie der Blitze schleudernde Dichter.“ Auch zwischen dem „Ob und dem Wie der Kriegsführung“ sollten die darüber Streitenden unterscheiden. Habermas setzte sich außerdem für eine „bedingte Feuerpause“ ein. „Inzwischen ist die Zweckmäßigkeit und die Verhältnismäßigkeit der eingesetzten militärischen Mittel so problematisch geworden, daß ich die Forderung der Partei der Grünen nach einer bedingten Feuerpause für vernünftig halte“, meinte Habermas.
Literaturpreise werden unterdessen noch immer für gut Geschriebenes, nicht für zornig Dahingesprochenes vergeben. Dem niederländischen Schriftsteller Harry Mulisch ist der mit 100.000 Gulden dotierte niederländische Libris-Literaturpreis zuerkannt worden. Er erhielt die Auszeichnung für seinen Roman „Die Prozedur“. Die Jury würdigte das Werk als „virtuos, wagemutig und mitunter schwindelerregend“. In seinem Roman schildert der 71jährige Mulisch die Welt aus der Sicht seiner Hauptfigur Victor Werker, die nach einer Formel sucht, womit das Universum erklärt und zusammengefaßt werden kann. Die Jury pries den Roman als „Projekt des Geistes von hohem intellektuellem Gehalt“.
Besser regieren und reagieren mit dem Politikerkollegen Goethe. Mit einer Führung durch Weimar hat gestern ein informelles Treffen der Kulturminister der Europäischen Union begonnen. Die Politiker sahen sich unter anderem Goethes Wohnhaus und das wiedereröffnete Nationalmuseum an. Im Mittelpunkt des zweitägigen Weimarer Treffens steht die europäische Kulturpolitik und -förderung. Dabei wird eine Einigung in der Frage der Finanzierung des Kulturrahmenprogramms 2000 erwartet, das die Förderung der kulturellen Zusammenarbeit der Länder regeln soll. Ferner wollen sich die Politiker mit dem Thema europäische Identität und Geschichte beschäftigen. Zur Anregung wird Jorge Semprun ein paar warme Worte sprechen.
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