: Israels bester Soldat
Für die Politik entschied sich Ehud Barak nur sehr zögerlich. Dafür hat er eine außergewöhnliche militärische Karriere hinter sich. ■ Ein Porträt von Susanne Knaul
Als Brigadegeneral Ehud Barak aus dem Militärdienst ausschied, charakterisierte ihn sein Nachfolger im Amt des Stabschefs, Amnon Lipkin-Schahak, als „intellegenten Torpedo, der auf sein Ziel ausgerichtet ist“. Dabei schien Barak in den ersten Wochen, in denen er Zivilkleidung trug, noch gar nicht so sicher zu sein, wohin sein weiterer Weg führen würde. Jitzhak Rabin, damaliger Premierminister, hatte Barak wiederholt aufgefordert, sich seiner Regierung anzuschließen, doch Barak beschloß, sich zur allgemeinen Fortbildung erst einmal beim Washingtoner Zentrum für internationale und strategische Studien einzuschreiben und parallel dazu, seinen Kontakte zu amerikanischen Militärs und Politikern zu pflegen.
Ganze sechs Monate ließ Barak Rabin warten, bis er sich im Sommer 1995 dazu herabließ, den Posten des Innenministers zu übernehmen. Auch nach seiner Wahl zum Parteivorsitzenden – gut ein Jahr später – gab der wenig charismatische Ex-Stabschef zu, daß „Politik nicht meine Berufung ist“. Zumindest für Lea Rabin, Witwe des ermordeten Premierministers, stand fest: „Jitzhak wollte, daß Ehud sein Nachfolger wird, also wird er es.“
Obschon Ehud Barak eine klassisch-sozialistische Erziehung im Kibutz durchlaufen hatte, war er niemals Mitglied der Arbeitspartei. Schon im Alter von 17 Jahren schloß er sich der Armee an, wurde bald Kommandant einer Panzertruppe und später von Elitetruppen mit Sonderaufgaben. Einer der Höhepunkte seiner Karriere war die Planung der „Operation Jonathan“, die von Rabin angeordnet worden war. Terroristen hatten 1976 ein Flugzeug der Linie Tel Aviv – Paris entführt und nach Entebbe verschleppt. Barak hatte das Kommando über die Einheit, die die Geiseln befreien und die Terroristen exekutieren sollte.
Als 1982 israelische Truppen in den Libanon einmarschierten, war der damals 40jährige Barak bereits Generalmajor. Anschließend übernahm er die Kontrolle über den militärischen Abwehrdienst. 1991 folgte die Berufung zum Stabschef. Barak gehörte zu den engsten Vertrauten Jitzhak Rabins; er machte jedoch auch keinen Hehl aus seiner Bewunderung für die „Intellektualität“ von Schimon Peres, mit dem ihn allerdings vorübergehend ein deutlich abgekühltes Verhältnis verband, nachdem er ihn von dem Stuhl des Parteivorsitzenden vertrieben hatte. Dazu kommt, daß Peres für das linke Lager der sogenannten Tauben in der Arbeitspartei steht, Barak indes eher ein „Hardliner“ ist. Baraks militärische Operation „Abrechnung“ im Frühjahr 1994 gegen die südlibanesische Hisbullah hätte auch auf dem Schreibtisch eines Ariel Scharon geplant werden können, hieß es damals. Die kritischen Stimmen in den eigenen Reihen erinnern zudem an Baraks mehr als zweifelhafte Strategien im Kampf gegen die palästinensische Intifada. Besonders berüchtigt waren seine Exekutionskommandos, die sich unter die palästinensische Bevölkerung mischten, um Aktivisten des Aufstandes umzubringen.
Dementgegen feierte der Likud über Jahre die erst vor kurzem geklärte Affäre um Baraks Verhalten bei einem militärischen Unfall 1991. Die Soldaten hatten Zeitungsberichten zufolge die Exekution des irakischen Präsidenten Saddam Hussein geprobt, der kurz zuvor eine Reihe von Raketen auf Israel abgeschossen hatte. Bei dem Übungsunfall kamen fünf Soldaten ums Leben, und Barak soll, noch bevor alle Verletzten geborgen waren, den Ort des Geschehens verlassen haben. Die Klärung der Affäre zog sich über Jahre hin. Der Fall war nicht nur ein gefundenes Fressen für die Presse, sondern vor allem für den Likud. „Ehud barach“ – zu deutsch: „Ehud ist weggelaufen“, hatte Justizminister Zachi Hanegbi gegen den Oppositionsführer polemisiert, und das Wortspiel war schnell in aller Munde. Lange Zeit wurde dem Image des mit Orden schwerstbehängten Soldaten in der Geschichte Israels ein schlimmer Schaden zugefügt, bis Barak schließlich durch ein Gerichtsverfahren rückwirkend reingewaschen wurde.
Der Likud konnte fortan nicht mehr vor „Barak dem Feigling“ warnen, und auch als „linke Taube“ eignete er sich nicht so gut für den konservativen Wahlkampf, wie drei Jahre zuvor Schimon Peres. Obschon Barak an der Ausarbeitung der Autonomie-Abkommen für Gaza und Jericho beteiligt war und die Osloer Verträge „die wichtigste Entscheidung seit Staatsgründung“ nennt, enthielt er sich „aufgrund von Detailfragen“ bei der parlamentarischen Abstimmung über die Osloer Prinzipienerklärung. Er sprach von jeher von der „Unteilbarkeit Jerusalems“, von der „unbedingten Aufrechterhaltung jüdischer Siedlungen im Westjordanland sowie „einigen Ausbesserungen hinsichtlich des Grenzverlaufs“. Mit solchen Positionen passe er genausogut in den Likud, schimpften anfänglich einige Tauben der Arbeitspartei.
Baraks größtes Problem im Wahlkampf gegen den zweifellos charismatischeren Netanjahu war sein unbeholfener Umgang mit den Medien. Aus Frustration darüber ließ er sich einmal sogar dazu hinreißen, die Journalisten als „Scharlatane und Dilettanten“ zu beschimpfen, deren „Machttrunkenheit und Einfluß auf Millionen Grenzen gesetzt werden müssen“. Eine Drohung, die er inzwischen nicht mehr wahrmachen wird, schließlich hatte die israelische Presse einen entscheidenen Anteil an seinem Wahlsieg. „Politik wird nicht in Talkshows gemacht“, war sein im Endstadium des Wahlkampfs viel souveränerer Kommentar, als er auf diese Schwäche angesprochen wurde.
Barak studierte seinen neuen Einsatzbereich fleißig, wobei er sich dennoch bisweilen sein militärisches Planungstalent zu Nutzen machte. Der überragende Wahlsieg ist zum entscheidenen Teil der Arbeit eines riesigen freiwilligen Mitarbeiterpotentials zu verdanken, das mit Schildern und Informationsmaterial vor allem in die Gegenden des Landes zogen, wo der Likud besonders stark ist: in die fernab gelegenen Entwicklungszonen. Die Planung fand in perfekter Organisation, aber auch zunehmend in Absprachen statt. Barak hat die Lektion aus seinem ersten großen Fehler schnell gelernt: Als er kurz nach Übernahme der Parteiführung zahlreiche Mitarbeiter rigoros aus ihren Ämtern entließ, fand er sich sehr schnell selbst im Abseits der eigenen Bewegung wieder. Es ging nicht per militärischer Hierarchie und mit Befehlen, sondern in der Arbeitspartei finden Absprachen und Zusammenarbeit statt.
Barak tut gut daran, diesen veränderten Weg fortzusetzen und sich von den erfahrenen Politikern in den eigenen Reihen, allen voran Schimon Peres, von Zeit zu Zeit beraten zu lassen.
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