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The story of wabling Nebel (never) ends

■ Die holländische Band Clan Of Xymox entführte in die guten alten Gruftie-Zeiten

Es klingt und es sieht aus, als wäre seit 1985 kein Tag vergangen. Fünf düstere Gestalten sind in hüfthohe Nebelschwaden getaucht. Fahles, weißes Licht beleuchtet spärlich den mit 150 Menschen prall gefüllten Innenraum im Tower. In das Wabern des opulenten Keyboard-Intros mischt sich das Zischen der tapfer pumpenden Nebelmaschine. Dann springen die lila Bühnenscheinwerfer an. Die Bassistin mit den schwarz geschminkten Lippen beginnt mit einem Lauf, die ersten verklirrten Gitarrentöne spielen mit der Baß-Harmonie. Der Clan Of Xymox ist zurück.

Vor vierzehn Jahren hatte sich die holländische Band mit ihrem ersten Album in die Herzen all jener gespielt, die lieber Rotwein als Bier tranken und Kerzen dem elektrischen Licht vorzogen. Das Volk nannte diese Leute mit den schwarz gefärbten Haaren und den langen Mänteln Grufties. Und wenn sie neben den Düsterkombos auch noch Duran Duran hörten, hießen sie Gothics oder New Romantics. 4AD hieß das britische Plattenlabel, auf dem Bands wie die Cocteau Twins oder Dead Can Dance den Soundtrack für jene veröffentlichten, die Ausgefeilteres suchten als Cure und Sisters of Mercy. Auch der Clan Of Xymox hatte hier Platz gefunden, hinter dem vor allem die melancholischen Ergüsse des Gitarristen und Klangtüftlers Ronny Mooring steckten.

Heute wie damals ist Mooring die treibende Kraft der Band. Seine mit zahllosen Halleffekten unterlegte, dunkle Stimme ist die Konstante in der vielfarbigen Xymox-Klanglandschaft. Mit den hochtoupierten Haaren, den fetten Kajalstrichen um die Augen und dem weinroten Hemd erinnert er optisch an Cure-Sänger Robert Smith, bevor dessen Band weltberühmt und Smith dick wurde.

Für Live-Konzerte und Plattenaufnahmen scharte Mooring schon 1984 Bekannte als Mitmusikanten um sich, und nach diesem Prinzip sind die Amsterdamer auch heute wieder unterwegs. Früher hieß Ronnies Baß-spielende Freundin Anke, heute heißt sie Mocja.

Also wirkte der Auftritt im ersten Moment wie ein gnadenloses 80er-Revival. Zwar hatte es im Gegensatz zu früher keiner nötig, Rotweinflaschen reinzuschmuggeln. Beck's hat sich auch bei den Grufties der Endneunziger als Standard durchgesetzt. Dennoch: Die Erwartung bei den meisten ging ganz klar in Richtung Zeitreise, am besten voller Erinnerungen an die eigene Vergangenheit.

Doch schon nach ein paar Stücken wurde deutlich, was den Clan damals von anderen New-Wave-Bands unterschied und auch heute noch seine musikalische Existenzberechtigung ausmacht: Der Mut zum aggressiven Ausprobieren und zu schrägen Harmonien – Unerhörtes, wo die Genre-Kollegen zumeist auf moll-lastige, fließende Wohlklänge setzten.

Die Sequenzer blubberten, die Schlagzeug-Beats erinnerten an irgendwelche längst vergessenen Vorfahren des Techno wie FrontLine Assembly. Was eben noch wie eine traurig-schöne Kummerkapelle wirkte, hatte sich blitzschnell zu einem aggressiv-pulsierenden Soundgewitter gewandelt. Dann kippte die Stimmung wieder, synthetische Streicher und Moorings zwölfsaitige Wandergitarre entführten in bittersüße, einsame Traumlandschaften. Textlich regierte der traurig-schöne Pathos, natürlich muß man als Düsterband Songs „A Day“ oder „Cry in the Wind“ nennen.

Das Publikum reagierte geteilt: Während jene, die Xymox von der Platte kennen, verzückt den vielen verschiedenen Richtungen folgten, wirkte das Hin und Her für alle, die nur mal zum Trauerrevival da waren, zu sperrig. Die Überzeugten schlossen die Augen und wippten traumwandlerisch. Nach einem langen Set und zwei Zugabenblöcken verklang das gelungene Eintauchen in die Gruftie-Welt mit einem Stück, das so traurig tönte wie sein Titel verspricht: „The story ends ...“ Lars Reppesgaard

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