Grün-schwarze Schuldebatte
: Von vorgestern!

■ Kahl&Haefner: Im Computer-Zeitalter muß Schule sich radikal wandeln

„Schulfrieden“ haben die beiden Bremer Koalitionsparteien SPD und CDU vor vier Jahren vereinbart, großen Schulstreit hat es auch nicht gegeben. Dabei wäre ein großer Streit notwendig, fand der grüne Bildungspolitiker Helmut Zachau; die Heinrich Böll-Stiftung hatte Reinhard Kahl, Hamburger Publizist aus der grünen Ecke, und Klaus Haefner, Professor für Informatik an der Bremer Uni mit CDU-Parteibuch, eingeladen.

Die beiden waren sich überraschend einig: „Wir brauchen diese Schule nicht“, formulierte der Publizist Kahl spitz. Und Haefner vertritt sehr eloquent die Ansicht, daß die Schule die Qualifikationen, die die Gesellschaft im 21. Jahrhundert braucht, nicht mehr vermittelt.

Maschinen übernehmen einen großen Teil von Routine-Arbeit, allein im Geld- und Kreditwesen würden 7 Millionen Menschen Arbeit finden, wenn alle Buchungsvorgänge per Hand ausgeführt würden. Die „kognitiven Maschinen“ stehen im Wettbewerb mit dem Menschen, und das Bildungssystem habe bisher diese neue Arbeitsteilung nicht zur Kenntnis genommen, sagt Haefner. Fertigkeiten, die die Informationstechnik übernommen habe, müßten nicht mehr gepaukt werden. Die Schule sollte auf ein Arbeitsleben mit dem Computer vorbereiten – aber sie sei eine weitgehend „computerfreie Zone“. Kein Unternehmen könne es sich leisten, heute die Produkte von vor 20 Jahren zu produzieren, kein Unternehmen käme ohne grundlegende Weiterqualifizierung seiner Mitarbeiter aus – nur die Schulen. Das sei „eine mittlere Katastrophe“.

Die Lehrer quälten die Kinder mit Schönschreiben, „dieser Terror macht keinen Sinn“, sagt Haefenr, da kein Betrieb noch wert auf das „Krickelkrackel“ lege. Aber mit der Computer-Tastatur umzugehen lernen wäre wichtig – das lernen die wenigsten in der Schule. Ausmisten der Curricula, Abitur nach 12 Jahren, Abschaffung der Orientierungsstufe – „fast trivial“ diese Forderungen für Haefner. Das „Typisch-Menschliche“ und das Musische müßte ganz oben stehen – im Bremer Schulalltag ganz unten. In Österreich wird auch der Mathematik-Unterricht ganz neu konzipiert. Homo sapiens informaticus ist Haefners neues Leitbild, ein Mensch, der über soziale Kompetenzen verfügt und die Maschinen einzusetzen weiß.

Die Hirnaktivität beim Kind sei während des Unterrichtes auf einem Tiefpunkt, beim Pausenklingeln würden sie hellwach, ergänzte Reinhard Kahl den Befund. Lernprozesse könnten viel effektiver sein, wenn sie so organisiert wären, daß die SchülerInnen den Eindruck hätten, „ich verpasse was, wenn ich nicht in die Schule gehe“. In Berlin gibt es eine Schule, die den Anschluß an das wirkliche Leben zu gewinnen sucht und „authentische Erwachsene“ als Lehrpersonen in die Schule holt. Die alten Schulen seien „kontaminiert durch die Tradition der Belehrung“, formulierte Kahl. K.W.