: Ein witziger, intelligenter Chauvinist
■ Der konservative Israeli Tommi Lapid verhalf der ultralinken Schinui-Partei überraschend zu sechs Mandaten in der Knesset
Jerusalem (taz) – Er ist nicht der Mensch, den man aus dem Fernsehen kennt. Darin sind sich Tommi Lapids ehemalige Kollegen aus der Redaktion der Zeitung Maariv einig. Er ist witzig, unterhaltend, enorm gebildet und endlos neugierig. Doch Leute, die ihn persönlich kennen, halten ihn für einen furchtbaren Chauvinisten. Tatsächlich habe er als Chefredakteur „zahlreichen Journalistinnen zur Beförderung verholfen“.
Tommi Lapid, der 1931 in Ungarn als Tomislaw Lampel das Licht der Welt erblickte, trieb im zurückliegenden Wahlkampf die Einschaltquoten der politischen Talkshow „Popolitika“ in die Höhe. Mal Clown, mal Anwalt oder Richter – je nach Thematik des Programms. „Für seinen erbarmungslos polemischen Ton, mit dem er wieder und wieder die Gemüter anheizte, wird er von seinen Freunden geliebt und von den Gegnern gehaßt. „Sie hetzen gegen den Obersten Gerichtshof“, griff Arye Deri, Chef der orthodoxen Schas-Partei seinen Erzfeind an, weil Lapid einen der Richter „Diktator“ geschimpft haben soll. „Herr Deri, Sie sind nicht nur ein Dieb, sondern auch ein Lügner“, konterte Lapid, womit er zweifellos recht hatte.
Die Ultraorthodoxen im Land zu stoppen, ist Tommi Lapids erstes Ziel, und er trifft damit auf ein für seine Wähler so drängendes Anliegen, daß seine Partei in weniger als drei Monaten Wahlkampf den Sprung in die Knesset mit sechs Mandaten schaffte.
Der wenig charismatische Abraham Poras, Chef der linksaußen Partei Schinui, die vor etwa einem Jahr aus dem Bündnis der Meretz ausstieg, wettete hoch, als er Lapid auf seinen Stuhl rief. Streitthemen waren unter anderem Lapids Vorschlag der Einstellung von Kindergeldzahlungen bei mehr als drei Kindern, um so die Geburtenrate bei den Orthodoxen und den Arabern einzudämmen, sowie das Verbot für Obdachlose, auf der Straße zu übernachten. In sozialen Themen repräsentieren die beiden Männer völlig konträre Positionen. Lapid ist ultrakonservativ und würde, um der Stabilität willen, die Armen arm bleiben lassen und die Reichen reich.
Der von ihm geführte Wahlkampf war typisch für ihn: Präzise Formulierung seiner Parteiziele eingerahmt in Propaganda. „Stoppt die Ultra-Orthodoxen“, und: „Regierung ohne religiöse Parteien“. Mit dem Ausschluß einer kompletten Bevölkerungsgruppe „tritt er in die Fußstapfen der Nazis“, wetterten die, die gemeint waren, und trafen einen wunden Punkt: Lapid ist Holocaust-Überlebender. Sein Vater und 16 Mitglieder seiner Familie starben im KZ Mauthausen.
Lapid begann seine Karriere als Journalist 1952 in einer kleinen Zeitung, die auf ungarisch veröffentlicht wurde. Er studierte parallel dazu Jura und Wirtschaft. 1955 kam er zum Maariv. 1979 verließ er die Zeitung für einige Jahre, als die Regierung von Menachem Begin ihn zum Generaldirektor des staatlichen Fernsehens ernannte, wo er bis zum Ende der Regierungsperiode 1984 blieb. In dieser Zeit verschaffte sich Lapid den Ruf eines angepaßten und den Mächtigen hörigen Mannes.
„Er ist ein Untertan der Reichen und Mächtigen, denen er jederzeit gern die Fußsohlen leckt“, urteilt einer seiner Kollegen. So blieb es auch ruhig um Lapid, als der Inhaber von Maariv wegen einer Abhöraffäre vorübergehend ins Gefängnis mußte. Umgekehrt wetterte der alte Journalist, wann immer sich die Gelegenheit dazu bot, gegen die israelische Linke, die sich „an die PLO ranschmeißt“. Mit dem Friedenslager hat Lapid indes jüngst deutlich weniger Probleme, und auch in Sachen sexueller Neigungen gibt sich der jahrelange Hetzer gegen die Homosexuellen inzwischen liberal. „Was geht mich an, was Sie in Ihrem Schlafzimmer tun“, sagte er im Streitgespräch mit einem Vertreter dieser Minderheit. Susanne Knaul
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