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Neuer Name –betr.: „Wer Polizisten nötigt“, taz hamburg vom 20.Mai 1999

Wenn Richter Schill seine Arbeit tut, bekommt er mit schöner Regelmäßigkeit negative Schlagzeilen. Den öffentlichen Aufschrei nimmt Richter Schill nicht als Kritik zur Kenntnis. Ganz im Gegenteil, er fühlt sich berufen, seinen Urteilen hinterher zu geifern.

Richter Schill spricht keine Urteile, sondern Vorurteile. Sein Sprachjargon, sein Gesichtsausdruck, seine gesamte Art sich zu gebärden ist besetzt von Aversionen und Ressentiments. Er verdient die Berufsbezeichnung Richter, denn er richtet, was das Zeug hält. Er versteht nichts von der Chance, sein Amt in Würde auszufüllen, besitzt weder Verständnis noch Einfühlungsvermögen. Christliche Werte scheinen ihm fremd zu sein. Seinen Spitznamen „Richter Gnadenlos“ hält er wahrscheinlich für korrekt.

Ich nehme Schills Treiben seit längerer Zeit zur Kenntnis und fühle mich aufgrund seines Handelns in meinem persönlichen Demokratieverständnis angegangen. Ich habe das Bedürfnis, gegen diesen Mann etwas zu unternehmen. Ich habe keinen Zweifel daran, daß es in einer demokratischen Zivilisation des ausgehenden 20. Jahrhunderts einen Richter Schill nicht geben darf.

Vor Richtern sollten Menschen Angst haben, die Grund haben sich zu fürchten. Wenn aber ein Richter sein Amt zu einer Schreckensherrschaft verkommen läßt oder mißbraucht, dann hat dieser Mann nur ein persönliches Machtproblem. Dann muß jeder Mensch sich fürchten, der – aus welchem Grund auch immer – vor diesem Richter stehen könnte. Das darf nicht sein.

Jeder unbescholtene Hamburger Bürger kann allein aufgrund der Anfangsbuchstaben seines Nachnamens das Pech haben, von Richter Schill abgeurteilt zu werden. Da braucht vielleich nur einer falsch zu parken an einer Stelle, an der deshalb ein Streifenwagen nicht halten kann, und Richter Schill mag daraus ein staatsfeindliches Verhalten kreieren. Es ist völlig unwichtig, welche Möglichkeit man sich konstruiert. Wesentlich ist: Richter Schill urteilt über Menschen der Anfangsbuchstaben BENI-KALI. Alle Hamburger, deren Nachnamen mit diesen Buchstaben beginnen, sollten ihre Namen ändern lassen. Das ist die einzige Möglichkeit auszuschließen, Richter Schill auch nur aus Versehen in einer Gerichtsposse zu begegnen.

Da ich als Autor mit einem ausgeprägten Hang zu Satire und Zynismus davon ausgehen kann, schon von Berufs wegen mißverstanden zu werden und deshalb eines Tages vor Gericht zu stehen, werde ich den Anfang machen und meinen Namen ändern lassen. Aus politischem Antrieb gegen Richter Schill.

Iven Fritsche

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