piwik no script img

„Die Regierung kriegt ihren Denkzettel“

■ Der Präsident der Hamburger Ärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, stimmt nur den Überschriften der rot-grünen Gesundheitsreform zu. Abschied von der Qualitätsmedizin

taz: Die Ärzte laufen Sturm gegen die Gesundheitsreform. Jetzt wollen sie eine 1,4 Millionen Mark teure Kampagne schalten. Ist das nicht überzogen?

Frank Ulrich Montgomery: Ich finde die Idee richtig. Das Motto der Kampagne lautet: „Die heile Welt der Medizin: bald nur noch im Fernsehen?“ Ich halte das für ein vernünftiges und probates Mittel, um die Bevölkerung darüber zu informieren. Den Denkzettel wird die Bundesregierung bei den nächsten Wahlen mit Sicherheit bekommen.

Aber es ist doch pure Panikmache zu sagen, die Gesundheitsreform gefährde die medizinische Versorgung im Land.

Wann immer wir versuchen klarzumachen, was die Regierung vorhat, wirft man uns Panikmache vor. Wenn dieses Gesetz zur Jahreswende in Kraft tritt, dann wird nicht am 15. Januar 2000 das Versorgungssystem zusammengebrochen sein. Aber wenn die Budgetierung sich Jahr für Jahr fortsetzt, dann wird mehr Rationierung in die Kliniken und Praxen einziehen und wir verabschieden uns zusehends von der Qualität dieses Versorgungssystems.

Was ist so schlecht an einem Globalbudget oder der Stärkung der ambulanten Versorgung gegenüber den Kliniken?

Das ist ja das Fatale an dem Gesetz: Viele Überschriften sind ausgesprochen gut. Aber die Instrumente, die es vorschreibt, sind reiner Etikettenschwindel.

Wo sehen Sie Einsparpotential?

Warum etwa muß in einer niedergelassenen Praxis ambulant operiert werden, wenn in unmittelbarer Nähe ein Krankenhaus mit allen Kapazitäten steht? Warum nutzt man nicht gemeinsam die Infrastruktur des Krankenhauses?

Das ist doch genau das, was Frau Fischer vorschlägt.

Ja, nur die Art und Weise, wie sie es vorschlägt, ist falsch.

Es gibt aber nun mal eine Überversorgung gerade bei den niedergelassenen Ärzten.

Dafür können die niedergelassenen Ärzte nichts. Die haben immer Niederlassungsbeschränkungen gefordert. Aber die Politik hat sie ihnen verweigert.

Nicht alle Ärzte werden sich Ihrem Protest anschließen.

Es ist der Politik gelungen, einen Keil zwischen die niedergelassenen Fachärzte und Hausärzte zu treiben. Ich hoffe sehr, daß es uns gelingt, die Hausärzte wieder in die Einheitsfront der Ärzteschaft zurückzuholen.

Was ist positiv an der Gesundheitsreform?

Daß wir wenigstens die gleichen Dinge anpacken wollen. Positiv ist auch eine Stärkung der Patienten. Aber der Patient muß gegenüber der Krankenversicherung selbst gestärkt werden, nicht durch Verbraucherschutzverbände, die ihn beraten sollen. Da wird nur ein weiterer Beratungszirkus aufgebaut. Interview: Yvonne Wieden

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen