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Viel Schaum im Knochen

■ Auf dem besten Weg in die Bacardi-Werbung: Die Herren der Thievery Corporation an den Plattentellern der MS Sanssouci

Sie tragen (noch) keinen sonderlich berühmten Namen, aber wenigstens doch einen ehrlichen. Die beiden DJs Rob Garza und Eric Hilton nannten sich Thievery Corporation, weil sie das tun, was alle tun, nämlich sampeln und remixen, die vielleicht avancierteste Form des Klauens.

Heutzutage verläuft die kreative Grenze schon lange nicht mehr zwischen Dieb und ehrlicher Haut, sondern zwischen gutem Dieb und schlechtem Dieb. Die Welt ist dazu da, um von der Thievery Corporation bestohlen zu werden. Sagt die Thievery Corporation. „Wir glauben daran“, meint Garza, „daß Musik für alle da ist, sie zu nehmen und neu zu interpretieren. Man muß nur Angst vor den Anwälten haben.“ Die wurden bisher noch nicht fündig in ihren Dub-Tracks, die in Zeitlupe dahinschlurfen. Die paar wenigen Samples, die sie bei ihren eigenen Songs anmelden, stammen fast ausnahmslos von obskuren Dub- und Reggae-Platten aus Jamaika selbst. Ansonsten wird offiziell remixt, so zuletzt im Rahmen der DJ-Kicks-Reihe, in der vor ihnen schon u. a. Rockers HiFi und Kruder & Dorfmeister die Ehre hatten. Damit befinden wir uns auch schon auf dem richtigen Plattenspieler. Daß die beiden Wiener DJ-Ikonen mit die ersten in Europa waren, die Tracks der Thievery Corporation in ihren Sets rotieren ließen, stuft Garza als „echte Ehre“ ein.

Tatsächlich begannen die beiden in ihrer Heimat Washington, D. C., eher als Außenseiter und wurden zu Beginn schon mal für Europäer gehalten. Inzwischen haben sie im Alleingang so etwas wie eine Miniszene mit von ihnen selbst betriebenem Club und Label etabliert. In ihren Videos zitieren sie schamlos aus trashigen B-Pictures oder aus Cop-Serien wie „Miami Vice“, und so elegant wie ihr Mafiosi-Outfit, in dem sie sich im Video zu „.38.45“ als zwielichtige Geschäftsleute auf Flughäfen herumtreiben, tröpfeln auch ihre Tracks daher.

Wer noch nicht breit war, wird es von den fast schon zu berauscht klappernden Riddims. Selig grinsend winkt man dann sogar Bossa Nova durch und arg geschmäcklerischen Jazz und eher dämliche Witze wie den Titel ihrer allerersten Veröffentlichung, „2001 Spliff Odyssey“. Manchmal scheint es, als stehe ihnen ihr Sinn fürs Schöne im Wege. Wo andere Musik Knochen hat, ist hier Schaumgummi eingebaut. Noch ist es ein weiter Weg zur Bacardi-Werbung, aber sie müssen auf der Hut sein.

Das Schönste an ihrer Musik ist die Belanglosigkeit, mit der sie vergeht. Eine Eigenschaft, die Garza auf den Punkt bringt, wenn er den Sound seines Projektes als „ambient drive-by music“ charakterisiert. Tatsächlich kann man mit der Thievery Corporation im Autoradio sehr entspannt Kilometer fressen. Diese Musik drängt sich nicht auf. Das ist ihre große Stärke, aber auch ihre größte Schwäche. Denn was gestern noch in den Lounges der angesagtesten Clubs stattfand, dreht sich heute schon in den CD-Playern frisch renovierter Lofts, die von Anwälten bewohnt werden. Und mit solchen Leuten wollten Rob Garza und Eric Hilton ja eigentlich nichts zu tun haben. Thomas Winkler

Heute, ab 22 Uhr, MS Sanssouci, Gröbenufer/Oberbaumbrücke, Kreuzberg

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