: Kino, das bewegt
■ Ein Altmeister aus den USA predigt den kleinen Krieg zwischendurch
Hinsehen, wenn andere wegsehen, und dafür auch noch Geld bezahlen, das ist das Motto des Massen-Moves in die Lichtspielhäuser. Millionen stehen zur Zeit im Kosovo Schlange, um George Lucas' taufrischen Kindheitstraum „Star Wars – Why?“ in 3D zu sehen; dafür läßt man im Land der ungenießbaren Süßigkeiten glatt Laptop und Lederhose liegen. Wer noch nicht ins Kino darf, erhält stabile Plastikpuppen, grünes Stieleis und reichlich Marschgebäck aus dem heimischen Krisenherd.
Im neuen Teil der eigentlich abgeschlossenen Kinosaga geht es bekanntlich um die Vorgeschichte der ersten Trilogie. Denkfehler 1: Die Zukunft hat noch keine Vergangenheit, wenn sie zeitlich vor unserer Gegenwart liegt. Denkfehler 2: Digitale Stangenware verleiht ein trügerisches Hochgefühl, das mit der Ausscheidung von 1,5 Liter Multiplex-Pepsi vollständig abgebaut ist. Denkfehler 3: In diesem winzigen Roboter soll ein Mensch stecken? Denkfehler 4: Science-Fiction ist sternschnuppe.
Das Lucas-Evangelium enthält zudem zahlreiche Fehler, die „Darth Herausgeber“ Augstein spitzfand. Die Kreuzigung Luke Skywalkers mit einer Tafel Jedi Ritter Sport, die im neuen Film bereits angedeutet wird, ist schwer von der Bibellektüre des Regisseurs beeinflußt. Und wenn „Obi-Wan Kenobi“ wirklich so hieß, muß es sich um einen Bewohner der Pi-9-Galaxie im dritten Aszendenten der Kepler-Indizes handeln, was seine Teilnahme an der albernen Space-Oper mehr als fraglich erscheinen läßt. Schließlich dürfen nur gebürtige Schotten Sprechrollen übernehmen.
Branchenneuling Ewan McGregor distanzierte sich von dem Projekt, als er nach Drehschluß erfuhr, daß er die Originalschauplätze nie zu Gesicht bekommen hatte. Ungebrochen dagegen der Enthusiasmus von Bundesfilmkritikerpapst Johannes Rau: „Laserschwerter, geheimnisvolle telekinetische Kräfte, ein eingängiges Trompetenthema – das hätten Herbert und Willy noch erleben müssen. Es erinnert mich außerdem an ein Bibelwort, das mir gerade entfallen ist.“
Ganz unbemerkt eroberte der „Tycoon“ Lucas auch die diesjährigen Filmfestspiele von Cannes. Seine bittere Low-Budget-Produktion „Die Verstoßenen“ rührte noch bei der Preisverleihung Stars und Sternchen zu mancher Träne. Ansagerin Sophie Marceau äußerte in einem Interview mit Régis Debray in Le Monde, ihr sei zeitweilig ganz warm ums Herz geworden, als sie Lucas' „Verstoßene“ an sich vorbeirauschen sah. Skeptiker vermuten dahinter eine Liaison der scheuen Actrice mit dem Vielflieger Debray.
Lucas, beflügelt von dem Canneser Achtungserfolg, will nun eine Initiative für 630-Millionen-Dollar-Jobs fördern. Etablierte Regisseure und eine hochbezahlte Starriege stehen bereits in den virtuellen Startlöchern, um der Filmwirtschaft neue Höhepunkte zu verschaffen. Pikanterweise ist auch das deutsche Kulturoberhaupt Michael Naumann involviert. Er will den Superstars in perfektem Englisch „emotionales Halteverbot“ erteilen. Sylvester Stallone eröffnete denn unlängst den ersten „Planet Holocaust“ im Hotel Alonso zu Berlin, wo man nun heftig über dessen Inneneinrichtung debattiert. Selbstkritisch auch George Lucas. Laut Variety ist ihm die Illusionsmaschine Kino schon seit Jahren suspekt. „Deshalb habe ich jahrelang keine Filme inszeniert. Ich wollte einfach nichts damit zu tun haben.“
So nachdenklich ist man auf dem alten Kontinent freilich nicht. Der zukünftige EU-Kommissar Gunda Trittin will so tun, als hätte es ihn nie gegeben, und bis jedes Kinderzimmer über einen Apache-Kampfhubschrauber verfügt, wird es wohl noch etliche Weihnachten dauern. Jamie Shea, der auf der Autofahrt zur Premiere von „Star Wars – Why?“ seine veralteten Stadtpläne verfluchte, mahnt zur Gelassenheit: „Wir haben noch ausreichend unveröffentlichtes Material. Ich bin sehr gespannt, was Georgie daraus macht.“ Dem deutschen Außenminister hingegen riecht es auf diesem Ohr entschieden zu bunt. Das nächste Mal ducken wir uns. Daniel Hermsdorf/ Benjamin Heßler
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