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Der berüchtigte Papierschlitzer

■ Im Cinema läßt ein Splattermovie Burroughs, Fauser, Ploog und andere Original-, Post-, Ex- und Neo-Beatnicks sprechen

Vor einem halben Jahr las Jürgen Ploog, Guru und Vater der nachgewachsenen Social-beat-Generation, der seine noch immer gut nachwachsenden eisgrauen Haare immer noch halb yuppiemäßig, halb bohemienartig aufstylt, in Bremen. Jetzt holt Günther Kahrs, begnadeter Dauerschauspieler in der Lustspiel-Rolle des Meister Propper, einen Film über Jürgen Ploog ins Cinema inklusive seinem Regisseur Daniel Guthmann. Den guten Mann geniert es nicht im geringsten, in seinem schönen Off-tonlosen, aus Interviews zusammengepuzzelten Film zu zeigen, wie ihn Ploog rüde zusammenstauchte: (entnervte Stimme) „Das habe ich Ihnen doch jetzt schon ein paar Mal erklärt, warum ich mit Cut-ups arbeite.“ Immerhin verkniff sich der Prophet der Unangepaßtheit, seinem Apologeten ein „Sie Einfalts-pinsel“ hinterherzuschimpfen.

Wolf Wondratschek bewundert ihn, weil er der allereinzigste aus der Literatenszene der Frankfurter Ulmenstraße der 60er Jahre war – dort stellten sich neben Wondratschek ein: Jörg Fauser und Burroughs- und Bukowskiübersetzer Carl Weisser –, welcher der euphorisierten, assoziativ mäandernden Sprache der Beat Generation die Treue hielt. Und nichts scheint Ploog lieber zu tun, als irgendwelchen Einfaltspinseln zu erklären, warum er mit solcher Hartnäckigkeit die Schere zückt/e. Wir sehen ihn in einer barock verschnörkelten Bibliothek sitzen und Manuskriptseiten falten, auseinanderschnipseln und neu gruppieren. Carl Weissner darf erzählen von den humoristischen Effekten, die entstehen, wenn man einen Text über die britische Royal Family mit einem Text über das Rotlichtmilieu durcheinanderwirbelt. Und Ploog erzählt, daß man den eigenen Vorurteilen niemals durch ein schwächelndes Ding namens Vernunft entkommen kann, sondern nur durch die Kraft des Zufalls, der eben bei ihm die Form einer Schere annimmt. Der so herbeigezauberte Zusammenstoß des Unzusammengehörigen erzwingt nämlich ein Neudenken. Weisser nennt ihn „die Synthese aus Perry Rhodan und Sloterdijk.“ Und außerdem ist das Leben selbst schließlich auch kunterbunt zusammengeschnipselt. Nicht zuletzt sein eigenes. Der Mann, der Burroughs die Hand schüttelte, verdiente sich sein Geld – nicht zu knapp – als Flugzeugkapitän, voll ordentlich bis zur Pensionierung. Gern erzählt Ploog von der Übereinstimmung von zerklüfteten Leben und zerklüfteter Literatur – sonderbarerweise auf reichlich plane Art. bk

Wer sich Burroughs und Folgen nähern will, kann diesen Text zerstückeln und mit einer Aspirinpackungsbeilage, einer Ausgabe des „Wachturm“ oder einem ebenfalls zerstückelten Perschau-Plakat neu kombinieren. Oder er lauscht im Cinema am 30. Mai ab 19 Uhr Film, Regisseur und dem Wortschwallkünstler Jan Off. Dort erfährt man auch, welche Sessel (urggh!) und welche Cabrios (kotz!) Ploog bevorzugt. Tags davor ab 21.33 gibt es in der Weberstraße wieder Lesen, Malen und Saufen gegen den Krieg , zu welchem sich auch der komplette zweiköpfige Günther-Kahrs-Fanclub der taz incl. Urdrü einstellen wird.

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