Reformbedürftige Reform

■ Es sollte ein großer Wurf werden. Aber jetzt ist das neue französische Mediengesetz schon überholt, bevor es in Kraft tritt

Es werde „die große linke Reform für die audiovisuellen Medien“ werden, hatte Premierminister Lionel Jospin großspurig angekündigt. Und die Medienpolitiker der grünen Regierungspartei freuten sich laut, die Novelle werde das Überleben des öffentlichen Fernsehens gegenüber der erstarkten privaten Konkurrenz sichern.

Doch was nach fast zweijährigen Vorarbeiten Ende vergangener Woche in erster Lesung von der Nationalversammlung verabschiedet wurde, ist alles andere als ein großer Wurf. Gerade mal ein paar der Regeln für das öffentliche Fernsehen änderte die Regierung: Das neue Gesetz beschränkt die Werbezeiten und erhöht kurzfristig die staatlichen Zuschüsse. Zudem gibt es der Aufsichtsbehörde, dem „Audiovisuellen Rat“, zusätzliche Kontrollaufgaben im Bereich der Programminhalte. Die neuen Technologien allerdings – zum Beispiel Internet, Fernsehübertragung über das Netz oder das terrestrische Digitalfernsehen – sind in der Reform nicht einmal erwähnt. Auch die Finanzierung des öffentlichen Fernsehens, das mit der Beschränkung der Werbezeiten einen großen Teil seiner Einnahmen einbüßt, wird durch das neue Gesetz nicht langfristig gesichert. Aus politischen Gründen hat die Regierung darauf verzichtet, die vergleichsweise preiswerten TV-Gebühren zu erhöhen. Zwar soll das öffentliche Fernsehen zum „Ausgleich“ für die ausbleibende Erhöhung Geld aus dem Staatshaushalt bekommen. Über die Höhe der Zahlungen kann aber die Regierung je nach Haushaltslage immer wieder neu entscheiden – und so auch immer die Sender politisch unter Druck setzen. Schon jetzt fürchten die Mitarbeiter der betroffenen Sender, daß gerade für die anspruchsvollen Programme, deren Überleben die Regierung sichern wollte, bald weniger Geld da sein wird.

Die sozialistische Kulturministerin Catherine Trautmann wollte nach ihren eigenen Worten vor allem einen „starken öffentlichen Rundfunk“. Dazu mußte sie sich gegen Widerstände aus den eigenen Reihen, aus der konservativen Opposition und aus Lobbyistenkreisen des Privatfernsehens durchsetzen, hatte aber die Unterstützung des Premierministers sowie einiger linker Abgeordneter. Einer von ihnen, der Grüne Noäl Mamère, hatte mit Blick auf die im französischen Mediengeschäft tonangebenden Mischkonzerne vollmundig angekündigt, man werde „die Imperien bremsen, die uns das Wasser zuteilen, die uns beerdigen, die unsere Straßen bauen, die unsere Telefonkabel verlegen, die unsere Fußballclubs kaufen“. Konkretere Pläne, wie das geschehen sollte, blieben jedoch aus. Zudem war das Trautmann-Gesetz im ersten Anlauf Ende vergangenen Jahres gescheitert – am Widerstand ausgerechnet aus den eigenen Reihen der Koalition aus Sozialisten, Kommunisten und Grünen.

Bei der Diskussion ging es genau wie in Deutschland um die Frage, ob und wieviel Werbung einem starken öffentlichen Rundfunk guttut. Die Kulturministerin wollte die Werbezeiten im öffentlichen Fernsehen mehr als halbieren. Koalitionsabgeordnete aber hatten argumentiert, daß davon nur die großen Privatsender TF 1 (gehört dem Bau- und Telekommunikationskonzern Buygues) und M6 (gehört der deutsch-luxemburgischen CLT-Ufa) profitiert hätten. Wird dem staatlichen Fernsehen per Gesetz deutlich weniger Werbung zugebilligt, könnten die Privaten die Minutenpreise für ihre Werbeplätze ohne die lästige öffentliche Konkurrenz verteuern.

Die in der Nacht zum vergangenen Donnerstag gegen die Stimmen der Opposition in erster Lesung angenommene Reform sieht nun vor, die Werbezeiten pro Stunde von derzeit 12 Minuten allmählich auf 8 Minuten zu senken. Außerdem sollen die öffentlichen TV-Kanäle – das nationale Fernsehen F 2, die Regionalsender F 3, der Bildungssender La Cinquième und der französische Teil des deutsch-französischen Kultursenders Arte – in einer großen Muttergesellschaft zusammengelegt werden. Der Chef dieser Holding soll künftig statt bislang drei Jahren fünf Jahre im Amt bleiben.

Eine wirksame Bremse für die privaten Medienkonzerne hat man bisher mit dem „Trautmann-Gesetz“ schon deshalb nicht geschaffen, weil es sich nicht mit den neuen Kommunikationstechnologien terrestrisches Digitalfernsehen oder Internet beschäftigt. So können TF 1-Eigner Buygues und die beiden Konzerne Vivendi und Suez-Lyonnaise des Eaux, die weltweit Wasser-, Energie- und Kommunikationsunternehmen aufkaufen, auf dem französischen Markt weiterhin relativ ungehindert operieren. Denn die Geschäftsinteressen aller privaten TV-Anbieter liegen längst bei den neuen Märkten: Frankreich steht in den nächsten Monaten die Einführung des digitalen Fernsehens per Antenne bevor, womit bereits in Großbritannien und Skandinavien der Markt aufgemischt wurde. Selbst wenn das „Trautmann-Gesetz“ sich der Zukunftsfragen noch annehmen würde, käme es doch zu spät. Vorausgesetzt es passiert alle parlamentarischen Lesungen reibungslos, wird das Gesetz erst im nächsten Jahr in Kraft treten. Dorothea Hahn, Paris

Die neuen Fernsehtechnologien wie Digital-TV oder Internet werden in der Gesetzesnovelle nicht einmal erwähnt

Konkrete Pläne, wie die Medienkonzentration im Fernsehmarkt gestoppt werden sollte, gab und gibt es nicht