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„Stimmung ist falsch“

■ Arbeiterkammer-Experte kritisiert Zweckoptimismus: Wirtschaftswachstum liegt im Saldo unter Bundesniveau

Die Gewerkschaften sehen die Erfolgsmeldungen der Großen Koalition mit großer Skepsis. Als am Mittwoch abend die beiden Spitzenkandidaten Henning Scherf und Hartmut Perschau bei buten&binnen harmonisch auf dem Sofa saßen, wurden die Vertreter der IG Metall und der IG Bau im Film eingeblendet, die auf die steigende Tendenz bei den Arbeitslosenzahlen hinwiesen. Weder Perschau noch Scherf ließen sich davon in ihrem demonstrativen Optimismus beeinträchtigen.

Hans Jürgen Kröger, Leiter der Abteilung Wirtschaft und Arbeit der Bremer Arbeiterkammer, befaßt sich berufsmäßig mit den Erfolgsbilanzen bremischer Wirtschaftspolitik; die Arbeiterkammer erarbeitet insbesondere Expertisen für die gewerkschaftliche Interessenvertretung. „Viele der im Laufe der Jahre regierungsamtlich vermeldeten Erfolge zerplatzen bei näherem Hinsehen wie eine Seifenblase“, findet Kröger. Die Bilanz über den vierjährigen Sanierungszeitraum der Großen Koalition (1995-1998) sei nämlich schlecht: Bremen liegt im Saldo mit 1,4 Prozentpunkten BIP-Wachstum („Brutto-Inlands-Produkt“) pro Jahr deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von 1,8 Prozentpunkten. Das selbstgesteckte Sanie-rungsziel des Finanzsenators lag bei deutlich überdurchschnittlichen 3,2 Prozent, erinnert Kröger.

Für den Widerspruch zwischen Erfolgszahlen und schlechter Bilanz gibt es eine einfache Erklärung: Wenn erste Zahlen über das Wirtschaftswachstum veröffentlicht werden, auf die sich die Positiv-Meldungen meist beziehen, dann handelt es sich in Wahrheit dabei nur um erste „Fortschreibungen“. Fachleute wie Kröger wissen das und schauen zwei Jahre später einmal nach, wenn die mit Unsicherheits-Effekten belastete erste Fortschreibung durch eine harte Zahl ersetzt worden ist. Für das Jahr 1995 zum Beispiel lag die erste „Fortschreibung“ bei 1,4 Prozent fast im Bundesdurchschnitt (1,5 Prozent). Die korrigierte Zahl für 1995 lag aber 0,6 Prozent niedriger – Bremen rutschte im Ranking der westdeutschen Bundesländer auf den letzten Platz!

Auch für 1996 gibt es inzwischen die korrigierten Zahlen: 0,8 Prozent war die erste „Fortschreibung“, eine schlichte Null die sich heute darstellende Wahrheit.

Im Mai 1999 verkündete CDU-Wahlkämpfer Hartmut Perschau stolz, Bremen nehme für 1998 „unter allen Bundesländern den zweiten Platz ein – vor Bayern und Baden-Württemberg“. Kröger: „Das hatte nichts mit den vorliegenden Fakten zu tun.“ In der „2. Fortschreibung“ der Wachstums-Statistik lag Bremen mit 3,2 Prozent-Punkten hinter den Flächenländern Baden-Württemberg (3,8), Bayern (3,5) und Niedersachsen (3,9). Die Erfahrungen mit den früheren Prognose-Zahlen müßte zudem zu großer Zurückhaltung bei der Wertung führen können.

Nach dem verbreiteten Zweckoptimismus hat sich „die Arbeitsmarktsituation im Bundesland Bremen gegenüber dem Bundestrend positiv entwickelt“, so wörtlich im „Regierungsprogramm der CDU unter dem Titel: „Mehr CDU tut Bremen gut“. Krögers Aufgabe ist es, den Gewerkschaften die harten Zahlen zu liefern: Die Beschäftigten-Zahl im Land sank in den vier Jahren der Sanierungs-Koalition von 352.407 (1995) auf 343.079 (1998), also minus 2,6 Prozent. Das Gegenteil war erklärtes Sanie-rungsziel: Mit 50.000 neuen Arbeitsplätzen sollten 40.000 Einwohner gelockt werden. Bekanntlich sinkt aber auch die Einwohnerzahl. „Die verbreitete gute Stimmung“, sagt Kröger, „ist pures Wunschdenken und hat nichts mit der Realität zu tun.“ K.W.

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