: Denkzettel aus Wut
■ Viele Grüne StammwählerInnen im Viertel sind nicht wählen gegangen oder wählten PDS
Diesmal hat sie nicht gewählt. Zum ersten Mal nicht. Denn Hedwig ist stinksauer auf ihre Stammpartei, auf die Grünen. „Diese Kriegshetze ist eine Schweinerei“, sagt sie. Mit ihrer Haltung steht die Mittdreißigerin nicht alleine da. Viele grüne TraditionswählerInnen im Viertel haben nicht gewählt, wollten den Kosovokrieg nicht noch unterstützen.
Vier Prozent haben die Grünen verloren – „aber von mir aus hätten sie ruhig noch tiefer fallen können“, sagt Hedwig wütend. „Jede Stimme für die Grünen bedeutet eine Zustimmung zum Krieg.“ Den letzten Rest gab ihr die Wahlkampagne von Joschka Fischer. Per Anzeige wurde der Krieg als „Erfolg grüner Außenpolitik“ dargestellt. Hedwig flucht: „Jetzt machen die mit der Bomberei auch noch Wahlkampf“. In Bremen vermißt sie vor allem „richtige Basispolitik“: „Es geht nicht mehr um Inhalte, nur noch um Köpfe“.
Manuela kann dem nur zustimmen: „Die Grünen haben die Rolle der früheren SPD übernommen.“ Die „richtige grüne Grundüberzeugung“ kann sie nicht mehr erkennen. Zwar hat die Vierzigjährige die Grünen gewählt, doch war dies vor allem eine Entscheidung „für das kleinere Übel“. Bei ihren Bekannten allerdings gäbe es „eine Tendenz, die Wahl vergessen zu wollen“.
Wählen zu gehen stand für Gabi dagegen außer Frage. Die einstige Grünenwählerin gab ihre Stimme ab – diesmal aus Protest aber für die PDS. „Seit der Regierungsbeteiligung sind die Grünen doch noch weiter nach rechts gerückt“. Das paßt der alten Friedenskämpferin überhaupt nicht. Ohne den Kosovokrieg hätte sie die PDS nicht gewählt, schließlich war klar, daß die es kaum über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen würde.
Ein weiterer Alt-68er, der ebenfalls lieber nicht genannt werden will, macht seinem Unmut über die Ökopartei Luft: „Ein Kriegsdienstverweigerer und ein Major sind hier auf Schmusekurs.“ In Bremen selbst moniert er, „sind die Grünen doch eigentlich überflüssig geworden. Die machen keine Opposition, und Scherf kann sich ausruhen“. Außerdem hätten sie nie ernsthaft versucht, Rot-Grün zustande zu bringen. Da hat auch er lieber PDS gewählt. pipe
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
